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M G G (Die Musik in Geschichte und Gegenwart)
Bärenreiter/ Metzler 1999
begründet von FRIEDRICH BLUME
Harmonikainstrumente
INHALT:
I. Zur Terminologie.
II. Klassifikation, Systematik und Bau.
III. Zur Geschichte der Harmonikainstrumente.
  1. Balglose Instrumente.
  2. Balginstrumente.
IV. Harmonikabranche: Entstehung und Verbreitung.
  1. Wien.
  2. Paris.
  3. London.
  4. USA.
  5. Rußland.
  6. Deutschland.
V. Technische Einrichtung, Modelle und Varianten.
  1. Harmonikainstrumente für Luftströmungen einer Richtung.
  2. Harmonikainstrumente für reversible Luftströmungen.
  3. Experimentierfeld Harmonika.
VI. Tonvorrat und seine Organisation.
  1. Bisonore Dispositionen.
  2. Unisonore Dispositionen.
  3. Instrumente mit präpariertem Akkompagnement.
VII. Musiker, Musikpraxis und Kontext.
  1. Instrumentalistinnen und reisende Virtuosen.
  2. Amateure und Autodidakten.
    a. Lernen sine magistro.
    b. Lernen in corpore.
  3 Repertoire.
1. Zur Terminologie
Der Terminus Harmonika (lat. Harmonika) ist zur Bezeichnung musikalischer Instrumente vielfach nachzuweisen, er wurde aber auch für Apparate wie die chemische, die meteorologische oder die Signalharmonika (John Taylor's Telephon, in:Illustrirte Ztg. 1846, Nr. 6, S.59) innerhalb der Naturwissenschaften verwendet. Bevorzugt tragen Instrumente mit dauerhafter Stimmung den Namen, da ihre festen Tonhöhen die harmonischen Intervalle gleichsam garantieren: Glas-, Glocken-, Holz-, Stein-, Stahlharmonika. Parallel zum Aufbau einer neuen Branche des Instrumentenbaus engt der Sprachgebrauch den Begriff nach und nach ein auf die Windharmonikas. In ihnen setzt eine Luftströmung elastische, frei schwingende Zungen in Bewegung, deren Frequenz unabhängig von der Windstärke stabil bleibt. Um die Bedeutung, die der Luftströmung bei der Tonerzeugung und -gestaltung zukommt, in den Instrumentennamen einfließen zu lassen, kombiniert man den Terminus Harmonika mit dem Namen des griechischen Windgottes Aiolos wie in Aeol-Harmonika (Georg Anton Reinlein, Wien 1823) oder benutzt von ihm abgeleitete Formen wie Aeoline (Bernhard Eschenbach [1769-1852] in Königshofen an der Fränkischen Saale um 1815; s V.). Weite Verbreitung findet das Kompositum Physharmonika (Anton Haeckl in Wien, patentiert 1821). Es geht ein in den italienischen Sprachschatz als fisarmonica/fisarmoniche, wo es zum Oberbegriff für Balgharmonikas (Handharmonikainstrumente) wird.
In den Gewerbe-Adreßbüchern der Stadt Wien, dem Zentrum des frühen Harmonikabaus, sind in den 1820er Jahren Einträge zur Harmonika nur verstreut zu finden. Anfang der 1830er Jahre führen diese Almanache zunächst die Rubrik »Mundharmonikna«, 1837 dann erstmals die selbständige Abteilung »Instrumentenmacher (musikalische, Mund-, Hand- und Physharmonika)«. Der Terminus Harmonika gilt seitdem in den deutschsprachigen Gebieten für die gesamte Branche sowie in Handel, Wirtschaft und Technik. In der Taxonomie entspricht er dem Gattungsnamen.
Die Terminologie der Bauteile ist in den deutschsprachigen Regionen nicht einheitlich Einen Vorschlag zur Standardisierung enthält der Katalog TGL 6923, hervorgegangen aus der Arbeit des VEB Klingenthaler Harmonikawerke Anfang der 1960er Jahre.
Die Orthographie der Namen von Instrumenten und ihren Erbauern ist im gesamten Harmonikabereich willkürlich, auch in der amtlichen Benennung. Gravierender jedoch ist die Konfusion im Gebrauch der instrumentennamen. Nur aus dem Beziehungsumfeld, in dem die jeweilige Bezeichnung verwendet ist, kann rückgeschlossen werden, um welche instrumentenvariante es sich handelt.
Harmonikas mit Balg: Aeol-Harmonika, Aeola, Aeoline, Akkordeon/ Accordion/Accordéon, Akkordeonette, Accordeon-flûtina, Accordéon-orgue, Angélophone, Apollo-Lyra, Armonica a manticino, Baby organ Bandonika, Bandonion (-eon/-ium/-ian), Bajan, Bibelharmonika/Bibelorgel,Cecilium, Chromatine, Chromatiphon, Clavi-accord, Claviphone, Concertina/Konzertina, Demian'sches Accordion, Dynamophone, Edeophone, Einhand-Harmonium, English concertina, Eoli-Courtier, Fisarmonica, Flutina, Fußbaß/Voetbas, Garmonica, Hand-Aeoline, Handharfe, Handharmonium, Handorgel, Hármaniyamsûtra, Harmoniflûte, Harmonina, Harmonjeux, Knopfharmonium, Knopfakkordeon, Melodion (-eon), Melodina, Melophon Mélophone, Mélophoneorgue, Pedalharmonika/Accordéon à pédales, Physharmonika, Pianoakkordeon, Piano-concertina, Pistonharmonika/Accordéon à pistons, Schaukelmelodeon (Elbow melodeon/Rocking melodeon), schoßorgel (Lap organ), Squashbox, Sruti-box, symphonetta, Symphonium, Örgeli, Taschenbuch-Harmonika, Tischorgel, Ziehharmonika.
Harmonikas ohne Balg: Accordola, Apollo-Lyra, Armónica, Armonica à bocca, Blasakkordeon, Chromonica, Clav-Aeoline, Couesnophone, Harmonica, Harmonica à bouche, Harmonica Jaulin, Harmonicor, Harmonikaflöte, Harmoniphone, Harmonitrompe, Harmonette, Kreuzwender, Laudaphon, Melodica, Metallhoboe, Mouth organ, Mund-Aeoline, Mundharmonika, Neu-Tschiang, Psallmelodicon, Polyphonia, Symphonion (-ium), Tasten-mundharmonika, Typotone.
Neben die Instrumentennamen assoziativen Charakters treten gegen Ende des 19 Jh. Warenbezeichnungen und Trademarks. Das Wortzeichen-Register der Musikinstrumenten-Branche von Lucian Gottscho (Bln. 1907) weist für Harmonikainstrumente mehr als 250 geschützte Einträge aus. Diesen Prädikaten aus industrie und Handel stehen jene Benennungen gegenüber, mit denen die Musiker Instrumente unterscheiden Sie sind üblicherweise abgeleitet vom Bezug-oder Herstellungsort oder der entsprechenden Region.
II. Klassifikation, systematik und Bau
In der systematischen Klassifikation der Musikinstrumente von E. M. von Hornbostel und C Sachs (systematik der Musikinstrumente, in: Zs. für Ethnologie 46, 1914) zählen die Harmonikas zur Ordnung der Unterbrechungsaerophone und bilden die Familie der Durchschlagzungeninstrumente Als primäre Schallquelle fungiert die durch eine elastische Zunge beeinflußte Luftströmung, nicht die Zunge selbst. Die Schwingung, also die schnelle Pendelbewegung der Zunge, zwingt die unmittelbar anliegenden Luftteilchen zur Mitbewegung und verursacht dadurch Druckschwankungen. Der Weg des Luftstroms geht - abgesehen von einigen unerwünschten Nebenwegen - durch den Schwingungskanal der Zunge, nachdem diese aus ihrer Ruhelage gebracht wurde. Dieser Kanal ist gebildet durch ein Fenster im Zungenträger, das in seinem Umriß dem schwingenden Teil der Zunge analog ist.
Bei den in Ostasien beheimateten Instrumenten sind Zunge und Zungenträger für gewöhnlich ein Materialstück. Im Gegensatz dazu verwendet der europäische Harmonikabau zwei Stacke gleichen oder unterschiedlichen Materials, üblicherweise Metalle diverser Legierungen, und verbindet diese durch Nieten, Schrauben, Bügel zur Stimmplatte (Funktionseinheit von Zunge und Platine). Eine der wesentlichen Folgen der europäischen Bauart ist es, daß die Lufströmung nur auf die Außenfläche der Zunge wirken kann, während die ostasiatische Zunge reversibel anspricht.
Die europäische Harmonikazunge schwingt in ihrer Eigenfrequenz, die durch ihre Länge, ihre Form und ihr Material bestimmt ist. Eine Qualitätszunge aus Metall besitzt zwei unterschiedlich geformte Flächen: zum Schwingungskanal hin eine ebene Innenfläche und eine Außenfläche, in die die Tonkurve geschliffen ist und deren minimal aufgebogenes freies Ende ein Zungengewicht tragen kann ihr Klang weist per se einen hohen Teiltongehalt auf, aber das vollständige und für das jeweilige Harmonikainstrument charakteristische Obertonspektrum zeigt sich erst im Zusammenwirken vieler Komponenten. Für die spezifische Klangfarbe sind neben der Zungenqualität alle direkten Punkte, die der Luftstrom auf seinem Weg durchs Instrument bis zur Abstrahlung nach außen berührt, von Bedeutung. In diesem Faktum liegt eine der Ursachen für die außerordentliche Variantenfülle im Harmonikabereich, denn findige Hersteller modifizieren die zahlreichen Komponenten des komplexen Funktionsgefüges immer wieder, um die Luftströmung und somit die Klangeigenschaften zu beeinflussen.
Innerhalb der Durchschlagzungeninstrumente ist zu unterscheiden nach der ostasiatischen Bautradition, in der die Zunge der Anregung einer Rohrschwingung dient, und der europäischen, in der sie sowohl Klangerzeugung als auch -abstrahlung bewirkt und eine dynamisch variable Tongestalt ermöglicht. Entsprechend ihrer Morphologie können die europäischen Instrumente unterteilt werden in die Gruppe der Harmonikas und die der * Harmoniums. Allerdings ist die Frage der Abgrenzung in völlig befriedigender Weise kaum zu lösen, da der Übergang sich ohne Unterbrechung vollzieht. Auch in der Benennung sind die Grenzen fließend: Das Handharmonium von Frank Michael Gerl (1854-1911) beispielsweise besitzt alle Merkmale des Konzertinatyps, und einige der als Pult-, Reise-, oder Feldharmonium geführten stehen der Harmonina von Alexandre François Debain (1807-1877) zweifellos näher als dem Harmonium. Der im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Einteilung folgend seien unter dem Namen Harmonium Standinstrumente größeren Gehäuses mit voluminösen Balgkombinationen subsumiert, die über fest installierte Pedale oder Trittschemel zu bedienen sind. Ihre Klaviaturen und die Registriereinrichtungen folgen dem Vorbild der Orgel.
Unter dem Namen Harmonika seien kompakte, mobile, handliche Instrumente verstanden, mit oder ohne Balgwerk (Hand- oder Mundharmonikainstrumente), mit oder ohne Tastaturen. Gemäß ihrer Programmietung erfüllen sie die Funktion von Borduninstrumenten, Melodieinstrumenten, Harmonieinstrumenten oder polyphon konditionierten Instrumenten. Auch ihrer musikalischen Verwendung nach sind sie versatil bis hin zum Einsatz als Rhythmusinstrumente. Kontaminationen (Pfeifen-, Glocken-, Trommel-, Schellenzusätze, integrierte Saiten- oder Stabspiele) und Musikwerke (z. B. die Automatophone Tanzbär, Panharmonicon) sind zahlreich.
  MARIA DUNKEL
Die balglosen bzw. Mundharmonikainstrumente unterscheidet A. Fett (Art. Harmonika, in: MGG 5, 1956, Sp. 1668) wie folgt:
A. Diatonische Mundharmonikainstrumente
1. Richter-Mundharmonikas (eine Zunge pro Ton)
a. 10-Kanal-System
b. 12-Kanal-System
2. Knittlinger Mundharmonikas
a. Oktavinstrumente (2 im Oktavabstand erklingende Zungen)
b. Doppeloktavinstrumente (2 im Doppeloktavabstand erklingende Zungen)
3. Wiener Mundharmonikas
a. Tremoloinstrumente (Haupt- und Komplementärkanzelle mit je einer Zunge)
b. Oktavinstrumente (wie a.)
B. Chromatische Mundharmonikainstrumente
1. Educator-Modelle
2. Chromonica-Modelle
C. Begleitinstrumente und Mundharmonikabässe
1. Baßmundharmonikas
2. kombinierte Baß- und Begleitinstrumente
3. reine Begleitinstrumente
D. Spezialinstrumente
1. pentatonische Instrumente und Mundharmonikas in außereuropäischen Tonfolgen (z. B Penta)
2. kombinierte Melodie- und Begleitmundharmonikas (Polyphonia I und II, Harmonetta)
Der Mundharmonikakörper, das Kanzellenholz, enthält Luftkanäle zur Führung des Spielwindes. Zwei Stimmplatten aus Metall (mit einer der Zahl der Tonkanzellen entsprechenden Anzahl vor Stimmschlitzen) schließen das Kanzellenholz nach außen ab. Die Stimmzungen sind dünne Metallblättchen, die im unteren verstärk ten Teil auf den Stimmplatten fest vernietet und mit ihrem oberer längeren Teil so in die Stimmschlitze eingepaßt sind, daß sie frei schwingen können, in ihrer Ruhestellung die Stimmschlitze aber möglichst dicht abschließen. Zwei außen auf den Stimmplatten auf liegende, leicht gewölbte Metalldecken schützen die empfindlicher Stimmzungen und geben dem Instrument seine äußere Form (Abb. I). Sie spielen aber auch bei der Haltung der Mundharmonik. mit den Lippen und bei der Tonveredelung und Tonverstärkung eine wichtige Rolle.
  Die Balg- bzw. Handharmonikainstrumente/Akkordeons klassifiziert Fett nach:
A. Diatonische Handharmonikas (wechselltönige Instrumente)
1. ein-, zwei- und dreireihige diatonische Handharmonikas
a. Wiener Modelle
b. deutsche Modelle
c. Bandonikas
2. diatonische Handharmonikas mit Gleichton und Hilfstasten (sog. Club-Modelle)
3. diatonische Spezialinstrumente
a. F-B- bzw. Es-As-lnstrumente (Alt-lnstrumente)
b. Bariton-lnstrumente
c. Baß-lnstrumente
B. Chromatische Handharmonikas (gleichtönige instrumente)
1. Piano-Akkordeon
2 Knopfgriff-Akkordeon
3. Baß-Akkordeon
Einen Prototyp der Handharmonikainstrumente bzw. der Akkordeons gibt es nicht, zu vielfältig ist bereits seit dem 19. Jh. das bautechnische Erscheinungsbild; gleichwohl soll an dieser Stelle kurz aufdie wichtigsten Bauteile und ihre Mechanik hingewiesen werden (Abb. 2). Der obere Teil des Instruments (auch Diskant- oder Melodieseite, Deckel) und der untere Teil (Baß- oder Begleitseite, Boden) sind durch einen Falten-(Laternen-) Balg beweglich miteinander verbunden. Die Diskantseite enthält das Manual I (Piano- oder Knopftasten), das Diskantverdeck und, in dieses eingelassen, die zugehörige Registerleiste. Unter dem Verdeck befindet sich die Deckelmechanik. Der Diskantteil wird gegen den Balg durch den Montierboden abgeschlossen, auf dem (dem Balginnenraum zugekehrt) die Stimmstöcke befestigt sind. Diese entsprechen in ihrem Aufbau im Prinzip denen einer Mundharmonika: Die eingefrästen Tonkanzellen (Tonkanäle) des Stimmstockrückens werden nach außen durch die (einzelnen) Stimmplatten mit jeweils zwei Stimmzungen (auf Saug- und Druckluft ansprechend) abgeschlossen. Die Stimmstocksohle liegt flach auf dem Montierboden auf und dient zur Aufnahme und Führung der Registerschleife.
Ähnlich ist der Baßteil des Instruments aufgebaut, allerdings ist das Manual II (Knopftasten) mit der entsprechenden Registerleiste aus anatomischen Gründen in das Baßgehäuse eingelassen, während das Manual I in einem besonderen Griffbrett untergebracht ist. Handharmonikainstrumente können mit Schulterriemen vom Spieler getragen werden (dabei steht der obere Teil des Instruments - Manual I - frei, während der Baß teil über den Balg nach links frei beweglich ist). Die Erzeugung des Spielwindes durch Balgbewegung (Öffnen und Schließen bzw. Zug und Druck; s. Abb. 15) ist Aufgabe der linken Hand und des linken Armes. Dabei gewährleistet der am Baßverdeck angebrachte Handriemen eine sichere Führung des Balges und ermöglicht das Fingerspiel auf dem Baßmanual.
SL
(ARMIN FETT)
III. Zur Geschichte der Harmonikainstrumente
In den ersten Dezennien des 19. Jh. begnügt sich eine Anzahl von Musikern, Instrumentenbauern, Mechanikern, Akustikern und Musikamateuren nicht mehr mit der herkömmlichen Herstellungsweise von Klangkörpern. Experimentierfreude und der Wunsch nach Veränderung haben ein zunehmend breitgefächertes Angebot zur Folge, dem ein sich erweiternder, aufgeschlossener Kundenkreis gegenübersteht.
I. Balglose Instrumente
Die Anfänge des Mundharmonikabaus reichen zu den ersten Versuchen der Familie Buschmann zurück, in den 1820er Jahren Instrumente mit durchschlagenden Zungen herzustellen (zum außereuropäischen Bereich * Mundorgel). So gilt die Mund-Aeoline, die Christian Friedrich Ludwig Buschmann (1805-1864) 1821 konstruiert und als Hilfsinstrument zum Orgelstimmen verwendet, vielfach als frühester Vorläufer der späteren Mundharmonika. In Wien weiterentwickelt und 1827 von Christian Meßner (1805-1874) in Trossingen entscheidend verbessert, erregt das Instrument die Aufmerksamkeit des Uhrmachers Matthias Hohner (1833-1902), der 1857 mit eigener Produktion beginnt und die Mundharmonika ständig weiterentwickelt. Es bilden sich die drei Grundtypen der einfachtönigen Richter-Mundharmonika, der sog. Knittlinger Oktav-Stimmung sowie die Tremolo- und Wiener Oktav-Mundharmonika heraus. in den 1920er Jahren werden die chromatischen Mundharmonikas (Trossingen) entwickelt, so die Neuschöpfung der Educator-Mundharmonika (durch Anblasen erklingen in der unteren Reihe die C-Dur-Leiter, durch Saugluft die zugehörigen alterierten Töne, in der Anordnung den schwarzen Tasten des Klaviers entsprechend) und die Chromonica (mit einer C-Dur- und einer Cis-Dur-Reihe, Umschaltung mit Hilfe eines Registerschiebers).
Die Popularität des Gruppenmusizierens mir Mundharmonikas fuhrt schließlich zum Bau von Begleit- und Baßinstrumenten wie der Polyphonia I und II und der Harmonetta. Die Baßmundharmonika, deren Töne nur auf Blasen erklingen, besteht in der Regel aus zwei übereinander angeordneten und durch Scharniere beweglich miteinander verbundenen Instrumenten, von denen das untere die Stammtöne gibt, das obere dagegen das Tonmaterial der Eis-Dur-Tonleiter enthält. Es gibt einfachtönige Baßmundharmonikas und Oktavbässe Die einzelnen Modelle unterscheiden sich lediglich durch ihren Tonumfang. Die Mundharmonika-Begleitinstrumente besitzen feststehende Akkordverbindungen, können also nur als harmonische Füllstimmen oder zur nachschlagenden Begleitung verwendet werden. Auch sie bestehen aus zwei übereinander angeordneten Instrumenten, die durch Scharniere beweglich miteinander verbunden sind. Das obere Instrument gibt auf Blasen alle gebräuchlichen Durdreiklänge, auf Ziehen die gleichnamigen Molldreiklänge; auf dem unteren Instrument erklingen auf Blasen jeweils die entsprechenden Dominantseptakkorde, auf Ziehen, abwechselnd in der Reihenfolge, übermäßige Dreiklänge und verminderte Septakkorde.
2. Balginstrumente
Ausgehend von der Mund-Aeoline entwickelt Buschmann 1822 die mit einem Faltenbalg versehene Hand-Aeoline, ein Ausgangspunkt für die Konstruktionsversuche von Cyrillus H. Demian (1772-1847) in Wien, der sein neu entwickeltes Instrument 1829 als Accordion patentieren läßt (s. V. 2.). Während sich das Demiansche Accordion im Laufe der Zeit zum sog Wiener Modell wandelt, führt die Weiterentwicklung der Hand-Aeoline Buschmanns zur sog. Deutschen Harmonika. Alle diese Instrumente sind wechseltönig und geben nur das Tonmaterial einer diatonischen Leiter. Die Wiener Form der Handharmonika ist als Ein-, Zwei- und Dreireiher noch in Gebrauch, während das Deutsche Modell kaum noch zu finden ist. Vom Wiener Modell weicht die Deutsche Form vor allem durch die offene Anordnung der klappen ab, aber auch durch den Einbau von Registerzügen auf der Diskantseite, mit deren Hilfe die gekoppelten Töne ein- bzw. ausgeschaltet werden können. Bei der Bandonika handelt es sich im Prinzip um eine Handharmonika, die nur in ihrer äußeren Form dem Bandonion angeglichen ist. Wie dieses ist sie quadratisch gebaut und hat einen dem Bandonion ähnlichen Ton. Tastenzahl, Tastenanordnung usw. entsprechen aber in jedem Falle der gebräuchlichen Handharmonika deutscher oder Wiener Bauart. Die diatonische Handharmonika schließlich führt zum Bau des standardisierten Club-Modells (2 Hauptreihen auf der Diskantseite mit 23 Knöpfen mit den wichtigsten Tonstufen, innen eine Zusatzreihe mit 7 Knöpfen für die alterierten Stufen; 2 Haupttonarten sind hierdurch gut spielbar: meist C oder F, in der Schweiz Es bzw. B [Schwyzer Örgeli]), die konsequente Durchführung des Gleichtonprinzips auf der Diskantseite durch den Wiener Musiker Walter 1850 zum modernen Akkordeon. Auf der rechten Spielseite können jetzt alle Einzeltöne sowohl auf Zug wie auf Druck hervorgebracht werden, auf der Baßseite bleibt die Wechseltönigkeit noch erhalten.
Zeitlich parallel zu Demian in Wien läßt Charles Wheatstone (1802-1875) 1829 in London sein Symphonium genanntes Instrument patentieren, 1844 die Concertina, die er aus einer mit Tasten versehenen Mundharmonika entwickelt, der er einen Blasebalg hinzufügt. Die Concertina mit ihrer typischen im Querschnitt sechseckigen Form verfügt über in vier Reihen angeordnete Knöpfe auf beiden Spielseiten und umfaßt vier Oktaven; jede Hand kann eine chromatische Tonleiter spielen. 1834 entwickelte der Klarinettist Carl Friedrich Uhlig (1789-1874) in Chemnitz die wechseltönige Konzertina mit vier- bzw. sechseckigem Querschnitt. Anders als die englische Concertina hat die Konzertina anstelle der gekoppelten Bässe Einzeltöne auch für die linke Hand, wodurch akkordisches Spiel in jeder Lage innerhalb des Tonumfangs möglich wird Verdrängt wird das Instrument vom Bandonion, das 1845 Heinrich Band (1821-1860) in Krefeld konstruiert (Abb. 3). Das gleichfalls wechseltönige Bandonion (quadratischer Querschnitt) ist zunächst mit 64 Knöpfen ausgestattet, später mit bis zu 200. 1902 baut J. Zademak (1874-1941) das chromatische Bandonion.
SL
(ARMIN FETT)
IV. Harmonikabranche: Entstehung und Verbreitung
1. Wien
Wiens Stellung als wichtiger Knotenpunkt des Instrumentenbaus begünstigt die Aufnahme der vielerorts initiierten Versuche zum Bau von Durchschlagzungenspielen. Von wesentlicher Bedeutung erweist sich dabei auch der hohe Stand des Wiener metallund holzverarbeitenden Handwerks, auf dessen Präzisionstechniken die neue Branche zurückgreifen kann. Denn die Herstellung einer Harmonika erfordert Spezialisten verschiedener Qualifikationen und, um kostengünstig zu produzieren, arbeitsteilige Verfahren. Bereits 1845 haben sich folgende Sparten innerhalb der Branche etabliert: Harmonikamacher, -gestellmacher, -klaviaturerzeuger, -stahlarbeiter, -stimmer, -buchbinder. Das Wiener Gewerbe-Adreßbuch jenes Jahrgangs weist 108 selbständige Gewerbetreibende auf, womit die neue Branche zahlenmäßig die zweite Stelle innerhalb des gesamten Wiener Instrumentenbaus erreicht hat. Die erste Stelle halten die »Clavier und Orgelinstrumentenmacher«, unter denen die Fabrikanten von harmoniumähnlichen Instrumenten subsumiert sind.
Diese rapide Expansion bezeugt einen prosperierenden Geschäftsverlauf, zu dem der florierende Fernhandel entscheidend beiträgt. Denn die Ware selbst eignet sich ihrer Robustheit und ihres handlichen Formats wegen vortrefflich für den Versand und wird von einigen Herstellern daraufhin weiter optimiert. Die Patentschriften von Joseph Müller (Nr. 2521, Wien 1839), Christian Steinkelner (Nr. 3555, Wien 1840), Michael Simon (Nr. 3170, Wien 1840) für Blasebalg-Harmonikas enthalten expressis verbis Lösungswege, Instrumente so zu gestalten, damit Verpackung und Versand problemlos ablaufen. Wiener Fabrikanten beschicken die Leipziger Messen und beteiligen sich an den großen Gewerbeausstellungen. So zeigt der k.k. Harmonikamacher August Schopp auf der Allgemeinen Deutschen Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844 eine »Harmonika zu 30 Rthlrn. 20 Sgr [...]. Das Äußere des Instruments ist mit Perlmutter und sonstigen Verzierungen höchst elegant ausgestattet« (Amtlicher Bericht, Bln. 1845, S. 213). Steinkelner wird 1845 bei der Wiener Gewerbs- Producten-Ausstellung nicht nur wegen der Güte seiner Harmonikas ausgezeichnet, sondern auch wegen seines »umfangreichen Betriebes und bewirkten Ausfuhr-Handels [...] über die See nach anderen Welttheilen« (Bericht über die 3. allgemeine österreichische Gewerbe-Ausstellung in Wien 1845, Wien 1846, S. 836). Johann Klein fertigt 18 bis 20.000 Balgharmonikas jährlich und erwirtschaftet 1845 mit 300 Arbeitern einen Umsatz von 80.000 fl. C.M. (florin Conventions-Münze; Wiener allg. Musik- Zeitung, 1845, S. 345). 1851 präsentieren allein Joseph Reinisch und Steinkelner 287 Harmonikavarianten bei der Weltausstellung in London. Auch dort wird Steinkelner ausgezeichnet. In seinem Sortiment beträgt die Preisdifferenz zwischen der preiswertesten Balgharmonika und dem teuersten Exemplar 1 zu 30. Demnach ist die Dutzendware ebenso gut abzusetzen wie es die Luxusinstrumente sind, und Käufer jeder Finanzkraft werden umworben.
Allerdings ist gegen Mitte des 19 Jh. der Wiener Harmonika branche andernorts bereits ernste Konkurrenz erwachsen.
2. Paris
Nachdem Hieronymus Payer 1823 Haeckls Physharmonika (* Harmonium) in Paris mit Kompositionen vorstellte, deren Auftraggeber der Erfinder war, reist Haeckl selbst 1826 dorthin, um an Ort und Stelle seine Instrumente verfertigen zu lassen. Die Aeol-Harmonika Reinleins (Patent Wien 1824) in Verbindung mit Prim- und Terzgitarre präsentieren zwei Jahre darauf, 1828, die Musiker Leonhard, Eduard und Leonhard senior Schulz (Schultz) aus Wien. In den Jahren 1830/31 bezeichnen sich bereits acht Pariser Hersteller als »farteur d'harmonicas à anches métalliques« und spezifizieren »Pysharmonicas«oder »harmonicas de bouche« (Fr. Lesure, La Musique a Paris en 1830-1831, P. 1983, s. 347). Das erste französische Patent auf eine Modifikation an Harmonikas erhalten offenbar Grucker & Schott 1830. Im Agenda musical für 1836 (2. Teil, S.152) erscheint erstmals die selbständige Rubrik »Accordéons et harmonicas« mit 20 Fabrikanten. Hingegen sind Hersteller der »phizharmonica« nunmehr geführt unter »facteurs d'orgues«. Die Übernahme der in Wien kreierten Instrumentennamen sowie eine erhebliche Anzahl von Personen deutsch-österreichischer Herkunft, die aktiv werden bei der Verbreitung der Harmonika in Paris (F. Würtel, A. Reisner, C. Wender, Kriegelstein, Obert, u.a.), lassen enge Kontakte und gegenseitigen Austausch der nouveautés vermuten.
Hinsichtlich der preisgünstigen Mundharmonikas aus Wiener Fertigung können die Pariser Hersteller allerdings nicht lange konkurrieren -1837 weist der Agenda musical keinen einzigen diesbezüglichen Eintrag mehr auf-, gleichfalls nicht gegen die wohlfeilen deutschen Modelle der Balgharmonikas. Um die Produktionskosten am Ort niedriger ansetzen zu können, vergeben einige Fabrikanten wie L. M. Kasriel Aufträge an die Strafanstalten der Stadt Andere Fabrikanten wie Alexandre, Chameroy, Fourneaux und Jaulin lassen die Herstellung von Harmonikas fallen und wenden sich dem lukrativeren Harmoniumbau zu Aus der verbleibenden Pariser Produktion kristallisiert sich die Bauart des accordéon parisien mit Zwillingstasten und Applikaturstange, in dessen äußere Gestaltung die aktuellen Pariser Trends und Techniken des Kunstbandwerks einfließen, die es zu einem Instrument der gehobenen Preislage machen. Karnies und Marketerie entsprechen der Mode; die Werbung betont die elegante Erscheinung der neuen Instrumente und charakterisiert sie als »passetemps charmant« (Le Ménestrel, 1. Juni 1834, Titelbl.). Zur Auswahl stehen »accordéons en tous genres«, und die Preisübersicht im Agenda musical von 1837 trennt nach »accordéons à main«, »accordéons à clavier« und »pianos qui renferment cet instrument« (S. 281) Demzufolge ersetzt die Bezeichnung accordéons als Oberbegriff für Balginstrumente den Terminus harmonica, der in Frankreich wiederum zunehmend reserviert ist für Mundharmonikas.
Die Pariser fabricans d'accordéons beteiligen sich an den heimischen Gewerbe Ausstellungen, beschicken jedoch nicht die Weltausstellung in London 1851. Dort sind, abgesehen vom Mélophone, nur harmoniumähnliche Fabrikate französischer Provenienz vertreten. Dennoch ist das French accordion bereits in London, Aberdeen und Boston so bekannt, daß in diesen Städten Schulwerke dafür erscheinen und es unter der Bezeichnung flutina auch in Glasgow und New York zur Musikalienedition anregt.
3. London
Als am 28. Apr. 1828 innerhalb eines der philharmonischen Konzerte das Schutz Trio aus Wien die Aeol-Harmonika Reinleins in London zu Gehör bringt, mögen deren Durchschlagzungen den Impuls gegeben haben dafür, daß Wheatstone der Vorlesung über The Nature of Musical Sound (Br. Bowers, Sir Charles Wheatstone, L. 1975, s 23), am 9. Mai 1828 vorgetragen von Michael Faraday in der Royal Institution, einen aktuellen Schlußteil über die Aeolina zufügt. Wheatstone beschäftigt sich weiterhin intensiv mit der Materie und erlangt ein Jahr darauf das Patent A Certain Improvement or Certain Improvements in the Construction of Wind Musical instruments (Nr. 5803, L. 1829). Es bezieht sich primär auf mundgeblasene Zungenspiele und enthält Ideenskizzen zu Tastendispositionen. In der Vorlesung vom 21. Mai 1830 On the Application of a New Principle in the Construction of Musical Instruments (Bowers, S. 36) läßt Wheatstone die Anwendung der asiatischen Durchschlagzunge in einer Mundorgel demonstrieren und die Anwendung der europäischen in einem Blasinstrument seines Konzeptes. Unter Bezug auf die Artikelfolge The Aeolina und Description of the New Tuning Springs (in: The Harmonicon, N.S., Febr. 1829, S. 37f.; März, S. 58) beschreibt er während dieser Vorlesung seine eigenen Versuche.
Der Import von Wiener Harmonikas ist bereits im Gange, seit Leonhard Schulz senior 1825 zwei Modelle bei Hofe vorstellte. »His Majesty was particulary pleased with the two new instruments now first introduced by Mr. Schulz into this country, called the Physharmonica, and the Aeolodicon, instruments in small dimension, but powerful in producing great beauty and delicacy of tone« (The Harmonicon, 1826, S. 153). 1830 läßt t sich die Musikerfamilie Schulz in London nieder und vertreibt kontinentale Instrumente. Zu ihrem Bekanntenkreis zählt 1831 der Knabe Giulio Regondi, neunjähriges Wunderkind auf der Gitarre, der 1837 fünfzehnjährig bei Wheatstone & Co eine Concertina erwirbt. Accordions nach Demianscher Bauweise bietet in den 1830er Jahren auch die Firma D'Almaine & Co in größerem Umfang an, und Wheatstone & Co, music sellers and publishers, liefern die Instructions for Performing on the Accordion für die fünftastige Ausfertigung; des weiteren die Instructions for the Aeolina or Mund-Harmonica und The Symphonion (or Accordion) Waltz, Composed by J. P. (John Parry/Bardd Alaw; Verkaufsofferten in: The Harmonicon 1829, S. 287; 1831, S. 58). Eine neue Branche des Londoner instrumentenbaus gründet sich in der ersten Hälfte der 1830er Jahre jedoch nicht, wie der Referent anläßlich der Vorführung der Physharmonika durch S. von Neukomm 1833 anmerkt: »We are surprised that our fabricans have not yet set about making it« (The Harmonicon, 1833, S. 72). Was die Produktion von Mundharmonikas und Accordions betrifft, wird sie auch in den folgenden Jahren nicht serienmäßig betrieben. Vielmehr importiert Großbritannien ausländische Instrumente aus Osterreich und Deutschland unter den Bezeichnungen aeolina, harmonica, German accordion or melodion, German concertina, aus Paris unter den Bezeichnungen French accordion, accordion or flutina, organ-accordion or harmoniflute.
Mehrere Versuchsinstrumente Wheatstones stoßen im Rahmen des wachsenden Interesses an Harmonikas auf Nachfrage unter Musikern und Musikamateuren. So zeichnen die Brüder Charles & William Wheatstone ab 1837 als »Musical instrument makers & music sellers«, denn die Herstellung von Harmonikas nach Charles' Konzept und ihr Vertrieb hat größere Dimensionen angenommen. Um sich die Rechte an seinen Ideen zu sichern, beantragt er ein Patent Improvements in Concertinas, das ihm am 8. Febr. 1844 gewährt wird (Nr. 10041, L. 1844). Es nennt u.a. jene Charakteristika (14 Töne pro Oktavraum alternierend auf zwei im Prinzip baugleiche Gehäusehälften verteilt), die für die English system concertina konstituierend sind und nach denen diese Instrumente in der Folge gebaut werden. 1851 auf der Londoner Weltausstellung präsentieren bereits mehrere Londoner Hersteller English concertinas in den Lagen treble, tenor, baritone, bass und schaffen die Grundlage, auf der die sich etablierende britische Concertinabranche erfolgreich arbeitet und aus der heraus sie Varianten entwickelt. Nach englischer Vorlage fertigen auch einige kontinentale Hersteller und erweitern auf diese Weise ihr Sortiment und ihr Exportangebot (Abb. 4).
4. USA
In den Vereinigten Staaten von Amerika sind vor 1833 die Eingangszölle auf Musikinstrumente so hoch, daß die Lieferung größerer Mengen von Harmonikas für europäische Übersee-Exporteure wenig lukrativ ist. Gleichwohl können sich amerikanische Instrumenreninteressenten mit Hilfe der musikalischen Fachzeitschriften auf dem laufenden halten über die Innovationen im europäischen Instrumentenbau und einzelne, von Immigranten und reisenden Musikern mitgebührte instrumente zum Studium auswerten. In Philadelphia sind aufgrund der großen deutschsprachigen Gemeinde die Kontakte besonders lebendig Emilius N. Scherr, Orgel-und Klavierbauer in der Stadt, zeigt auf der Seventh Exhibition of Philadelphia's Franklin Institute 1832 neben einem Pianoforte und einer Harfengitarre unter der Nr. 344 eine »harmonica«, die von der Jury durch lobende Erwähnung ausgezeichnet wird. 1834 erhält Heinrich Schatz, Bezugsadressat in Germantown Avenue für deutschösterreichische Instrumente, eine größere Sendung, darunter 37 Accordions (K. Kauert, Brummkasten aus dem Musikwinkel, in: NZfM 1994, Nr. 2, S. 38).
James A. Bazin in Canton/Mass. gilt als amerikanischer Pionier bei der Herstellung der Mouth organ 1828, der lap organ (Schoßorgel; Abb. 5) 1833 und des Accordion 1835 US-Patente erhält er 1842 und 1853 für Neuerungen an Durchschlagzungenspielen. Von Bazin erwirbt der instrumentenbauer Abraham Prescott in Concord/New Hampshire eine Schoßorgel und nimmt noch in den 1830er Jahren gemeinsam mit Daniel B. Bartlett die Fertigung dieser Instrumente auf in Massachusetts selbst beschäftigen sich neben Bazin Caleb H. Packard in Bridgewater und Nathan B. Jewett in Worcester mit der Herstellung der auch Rocking melodeon (soviel wie Schaukelmelodion) oder Elbow melodeon benannten Instrumente.
Nach 1842, als die Eingangszölle weiter sinken, treffen in den Hafenstädten Boston, Philadelphia, New York und New Orleans zunehmend Harmonikas aus Österreich, Frankreich und England ein, und eine spezialisierte Musikalienedition beginnt an diesen Orten. In Boston beispielsweise bietet Elias Howe im Selbstverlag Schulwerke an für folgende Instrumente: »German accordeon«, »German concertina, accordeon or flutina, seraphine or Melodeon«, und 1849 erstmals für das »Ethiopian accordeon« In Ergänzung zu seinem Ethiopian Glee Book trägt Elias Howe (Boston 1849) damit der Musik der American Minstrel Shows Rechnung Eines der bekanntesten dieser Ensembles, die die deutsche Harmonika in ihr Instrumentarium integrieren, konzertiert unter dem Namen The Ethiopian Serenaders. 1846 treten sie in London mit der Besetzung Banjo, Accordion, Rahmentrommel (Mr. Tambo) und Knochenkastagnetten (Mr. Bones) auf Durch ihre spektakulären Gastspiele in Europa und ihre Aufführungen an vielen Orten der USA machen sie das Accordion weithin bekannt Trotz der wachsenden Popularität aller Arten von Harmonikas beschränken sich die amerikanischen instrumentenbauer zunächst auf die Herstellung der Schoßorgel und konzentrieren ihre Bemühungen auf den Bau und die Perfektionierung der American reed organ. Europäische Harmonikas werden weiterhin importiert. Ein Export der Schoßorgel in nennenswertem Umfang findet nicht statt.
5. Rußland
Die Lieferungen von Harmonikas in das russische Kaiserreich laufen parallel zum Aufbau der Wiener Harmonikaindustrie, denn die Einfuhr von Instrumenten aus Österreich unterliegt keinen gravierenden Behinderungen während der Regierungszeit des Zaren Nikolaus I. (1825-1855). Abgesehen von den Instrumentenhändlern kommen Immigranten aus der k.k. Monarchie, Sachsen und Preußen ins Land, die zum Aufbau einer effektiven und modernen metallverarbeitenden Industrie in die Gewehrfabriken nach Tula angeworben sind. Einige unter ihnen besitzen die Kenntnis der Harmonikafertigung. Bereits 1840 sollen in Tula und dem Vorort Culkova mehrere Harmonikawerkstätten bestehen, darunter drei Betriebe russischer Hersteller. Dem Bericht über die Gewerbe-Ausstellung des Russischen Reiches zu St. Petersburg im Jahre 1849 zufolge ist die landeseigene Produktion binnen eines Jahrzehnts beträchtlich gewachsen: »in Tula werden auch Harmonika's (Accordeons) verfertigt. Man schätzt die jährliche Erzeugung auf 60 bis 70.000 Stück, welche mit 1 bis 15 Rbl. Silb. per Stück (1 fl 32 1/2 kr bis 23 fl 5 1/4 kr C. M.) bezahlt werden. Sie werden meistensaufdie Messe von Irbit gebracht undgehen von da nach China« (Wien 1849, S. 188).
Für den heimischen Markt modifizieren die Tulaer Harmonikabauer zunächst die Harmonieprogrammierung der garmonika, damit die charakteristischen Mollwendungen der russischen Musik gespielt werden können. Aus weiteren Innovationen erwächst dann eine Anzahl von regionalen garmonnia/garmoschka-Varianten. Die Bezeichnung der Instrumente bleibt jedoch die ursprüngliche, freilich in ihren russifizierten Formen; das Wort Accordion verbreitet sich kaum, Concertina findet primär Anwendung auf gleichtönige Modelle.
Trotz der russischen Produktion werden Wiener und deutsche Instrumente weiterhin importiert. Mundharmonikas, zumal aus sächsischer Fertigung, stehen preisgünstig und in großer Zahl zur Verfügung; in St. Petersburg bereits ab 1830, wo der Instrumenten-Engroshändler Johann Wilhelm Rudolph Glier (1793-1873) aus Klingenthal ein ständiges Lager unterhält, von dem aus die Harmonikas an die Detaillisten des Landesinneren weitergegeben werden.
6. Deutschland
Die Grundsteine der deutschen Harmonikaindustrie legen einerseits Glier in Klingenthal und Christian Meßner mit seinem Bruder Johannes in Trossingen sowie Ignaz Hotz (1805-1874) in Knittlingen (Württemberg) für die Mundharmonika, andererseits für die Balgharmonika Heinrich Wagner (1808-1872) in Gera (Reuss) und Uhlig in Chemnitz. Der die europäischen Länder bereisende Instrumentenhändler Glier lernt der Überlieferung nach in der Physikalischen Gesellschaft zu Frankfurt am Main die Mundharmonika kennen, bringt ein Exemplar nach Klingenthal und initiiert dort den Bau nach diesem Werkstattmodell. Auch der Barchentweber Meßner und der Drechsler Hotz arbeiten nach Mustern, erworben von ambulanten Händlern. Wagner bekommt bei seinem Schwager, dem Harmonikaverfertiger Joseph Reinisch in Wien, Einblick in die Produktion. Ab 1836 vertreibt er dessen Instrumente im Fürstentum Reuss und bietet sie auf der Leipziger Messe an. Schließlich läßt er sich Wiener Facharbeiter vermitteln, um mit ihrer Hilfe in Gera die Produktion aufzunehmen. Der Strumpfwirker und Klarinettist Uhlig eignet sich in Wiener Harmonikawerkstätten so viel Wissen an, daß er 1834, nach seiner Rückkehr in die Heimat, Instrumente eigener Konzeption zu bauen in der Lage ist.
Kann die Mundharmonikaproduktion durch ein kombiniertes Handwerk abgedeckt werden, ist im Bereich der Balgharmonika das Zusammenwirken verschiedenartiger Berufssparten zwingend: Metall -, Holz -, Lederarbeiter, Balgbinder, Mechaniker für Tastaturen, Monteure und Stimmer. Um die Tätigkeiten rationell aufeinander abzustimmen, greift die sich etablierende deutsche Branche zurück auf das sog. Verlagssystem. Im Gegensatz zur Herstellungsweise im geschlossenen Etablissement organisiert sie die Produktion dezentral. Dabei ist die zeichnende Firma zuständig für Konzept und Kalkulation der Modelle und Varianten, Auswahl und Qualität der Materialien und den Absatz der Waren In Saubunternehmen werden nach den Vorgaben der Firma die Auftragsausführung vorbereitet, die Arbeitsschritte strukturiert und ihre Kosten berechnet. in kleineren Hausmanufakturen, an die Order und Materialien weitergegeben werden, stellen Heimarbeiter - Männer, Frauen, Kinder - die Halbfabrikate her oder führen Tätigkeiten wie Stimmen oder Beledern aus. Diese Betriebsform nutzt das niedrige Lohnniveau der Heimarbeit und ist die Grundlage für die Wohlfeigheit und den Sortenreichtum in allen Preislagen Kennzeichen der deutschen Fabrikate bereits in der Frühphase der Balgharmonikaproduktion.
Der Versuch der ersten Unternehmer, durch die Verpflichtung ihrer Mitarbeiter zur Geheimhaltung von Materialien und Bearbeitungstechniken konkurrierende Geschäftsgründungen auszuschließen, schlägt fehl. Zu attraktiv sind die Aussichten, sich in der neuen Branche erfolgreich selbständig zu machen, und zahlreiche Betriebe erwachsen aus der Initiative einzelner fähiger Arbeiter. Der in Gera bei Wagner & Co ausgebildete Friedrich Gessner verpflanzt die Balgharmonikafertigung nach Magdeburg 1838. Bei Gessner wiederum lernt Adolph Eduard Herold, der der Klingenthalter Mundharmonikafertigung die Balgharmonikabranche angliedert. Uhligs innovationen strahlen von Chemnitz (Konkurrenzfirma am Orte J. G. Höselbarth) nach Waldheim (C. F. Reichel) und Carlsfeld (C. M. Zimmermann). Der durch Buschmann senior und junior ins Leben gerufene Berliner Harmonikabau wird durch Chr. F. Pietschmann weitergeführt und bekommt neue Impulse durch J. F. Kalbe, der seine Konkurrenzfirma 1840 gründet. Chr. Fr. L. Buschmanns Ansiedlung und Werkstattgründung 1835 in Hamburg mit der Spezifizierung »KIavier- und Physharmonica-Bauanstalt« zieht dortselbst weitere Initiativen in Produktion und Handel nach. Die genannten sächsischen und preußischen Firmen sind leistungsfähige, exportorientierte Unternehmen, die die industrie- und Gewerbeausstellungen in London 1851 und München 1854 mit breiten Sortimenten beschicken. Allein die Firma Wagner & Co in Gera fertigt 1855 mit 405 Zuarbeitern rund 100.000 Balg- und ca. 750.000 Mundharmonikas. Die Konkurrenzgründungen am Orte, Gebr. Bufe 1858 und Wilhelm Spaethe 1859, zwingen Wagner, die Produktionsverfahren zu rationalisieren, mit dem Ergebnis, daß er 1862 mit nur ca. 250 Arbeitern die gleiche Anzahl Balginstrumente fertigen kann sowie über eine Million Mundharmonikas (Abb. 6).
Ab 1868 erlangt die fabrikmäßige Fertigung zunehmend Bedeutung vornehmlich in den Sparten Metall- und Holzbearbeitung, denn Julius Berthold (Klingenthal) entwickelt Spezialmaschinen für die Harmonikabranche. Ihre volle Kapazität kommt allerdings erst nach Einführung der Dampflkraft 1877, 1879 im Klingenthaler Bezirk, zur Geltung und schlägt sich nieder im Ausbau der Arbeitsteilung, im beschleunigten Arbeitsgang bei gleichbleibender Qualität und im Einsatz ungelernter Arbeiter; Faktoren, die die Produktionskosten erheblich herabsetzen. Der Ausbau der maschinellen Fertigung setzt gegenüber anderen Industriezweigen zwar verhältnismäßig Spät ein. Ein Grund mag darin liegen, daß trotz Zuhilfenahme von Maschinen eine große Zahl von Arbeitsgängen weiterhin in Handarbeit ausgeführt werden muß Insofern bleiben auch kleine, nur mit wenigen Maschinen ausgestattete Firmen konkurrenzfähig, und das Verlagssystem garantiert die Fortsetzung der Heimarbeit bei niedrigem Lohnniveau.
Nach Reichsgründung, als die Zollgesetze und das Patentrecht für ganz Deutschland einheitlich geregelt sind, entwickelt sich die Branche zu einer außerordentlich prosperierenden und liefert zeitweilig den bedeutendsten Exportartikel der gesamten Musikinstrumentenindustrie. Mein Feld - die Welt ist schließlich um die Jahrhundertwende der prägnante Werbeslogan, denn innerhalb der heimischen Musikinstrumentenindustrie erzielt sie die höchste Exportquote gemessen am Produktionsvolumen (80% laut K. Schilpp 1915, S. 23). Gesamtwertmäßig steht sie an zweiter Stelle nach dem Pianofortebau, stückzahlmäßig überragt ihre Produktion bei weitem jede andere Instrumentengattung. Jährlich werden 600.000 bis 1.000.000 Balgharmonikas exportiert zuzüglich einer immensen Anzahl von Mundharmonikas (Abb. 7).
In der deutschen Harmonikaindustrie dokumentieren sich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges alle Spielarten zeitgenössischer Unternehmensstrategien: Etikettenschwindel, dubiose Patentansprüche und Kontrafaktionsprozesse, Abwerbung qualifizierten Personals, unlauterer Wertbewerb, Betriebsspionage, Preisdrückung; andererseits aber auch firmeneigene Unterstützungs- und Versicherungskassen, Sozialfonds, geregelte Verträge, Arbeitsplatzsicherung, Gewinnbeteiligung für Arbeiter, Fortbildungsangebote und Mäzenatentum seitens einiger Unternehmer. Die international operierenden, den Kundenwünschen entgegenkommenden deutschen Versandhäuser und jene Exportfirmen, die Harmonikas in Bestandteilen oder Baugruppen zwecks Dämpfung der ausländischen Zollbelastung anbieten, tragen zur Weltstellung der deutschen Harmonikabranche entscheidend bei. 90% des Weltbedarfs an Harmonikas, die Blasakkordeons und Mundharmonikas, Bandonions und Konzertinas als Monopolartikel zu 100%, stammen aus deutscher Fertigung, auch wenn sie in neutraler Form angeboten werden oder Signaturen der Verfertiger aufweisen, also derjenigen, die die Baugruppen und Bestandteile zusammensetzen und das Instrument zum Verkauf in den importierenden Ländern fertigmachen. Hamilton S. Gordon (New York), »Importer and manufacturer of musical instruments and musical merchandise of every description«, als eines der keineswegs auf Harmonikas spezialisierten US-Importhäuser, bietet um 1895 in seinem Illustrated Cataloge 22 einreihige »accordeons« in 29 Bestellnummern an, 3 zweireihige »accordeons«, 7 »blow accordeons«, 6 zwanzigtastige »concertinas«, 35 »harmonicas« (Mundharmonikas) in 51 Nummern und 16 Nummern »accordeon trimmings« mit der Ergänzung »prices for other accordeon material furnished on application«. Die deutsche Provenienz dieser Artikel steht außer Zweifel. Sie ist aber hinsichtlich der Tastenharmonikas der Preisliste nicht zu entnehmen, eine Identifikation der Herstellerfirmen seitens der Kundschaft ist von Hamilton S. Gordon nicht angestrebt.
Ein illustrierter Harmonika-Spezialkatalog jener Zeit hingegen, vergleichsweise der der Vogtländischen Musikinstrumentenfabrik Hermann Dölling junior, gegründet 1885 in Markneukirchen, enthält rund 300 Nummern auf 84 Seiten. Realiter ist das Sortiment jedoch weit größer anzusetzen, weil hier die Ausführungen mit Registern, Perlmuttertasten oder anderen Extras keine gesonderten Nummern besitzen. im Stückpreis ausgezeichnet sind Accordeons bis 120 Mark, Bandonions bis 280 Mark, Mundharmonikas (Kreuzwender; Abb. 8) bis s Mark und Blasaccordeons (Abb. 9) bis 2.75 Mark. Die letzte offizielle deutsche Ausfuhrstatistik vor Kriegsbeginn weist 27.850 Doppelzentner Balgharmonikas aus und 30.602 Doppelzentner balglose Harmonikas.
Der Erste Weltkrieg und seine ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen treffen die Harmonikabranche empfindlich, besonders den Export. Italienische Firmen liefern nun in jene Regionen, die ehedem Absatzgebiete ausschließlich deutscher Produkte waren. Um in den 1920er Jahren Markte wiederzugewinnen, drücken die Betriebe die Erzeugerpreise, was sich in weiterer Aufsplitterung der Arbeitsschritte niederschlägt. Mehr als 20 Branchen sind nun an einer Balgharmonika beteiligt, bevor sie den zeichnenden Betrieb erreicht. Bei der Heimarbeit müssen Frau und Kinder herangezogen werden, um auf einen ausreichenden Verdienst zu kommen. Laut Betriebsstatistik vom Juni 1925 arbeiten 3196 Betriebe, angesiedelt vornehmlich in Sachsen und Thüringen, mit 11.910 Beschäftigten. In der württembergischen Harmonikaindustrie hingegen setzt sich die Tendenz zur Kartellierung fort. Nachdem die Matth. Hohner AG mit den Firmen Messner in Trossingen, Hotz und Pohl in Knittlingen, Geßner in Magdeburg, Kalbe in Berlin fusionierte, integriert sie 1928/29 Weiss und Koch in Trossingen, nicht ohne die Produktion weiterhin mit deren weltweit eingeführten Marken- und Firmennamen zu etikettieren.
Trotz der mächtigen Konkurrenz des Trossinger Großbetriebs können sich die sächsischen Firmen behaupten, namentlich aufgrund des inländischen Käuferverhaltens und der Sortenvielfalt, die die extrem aufwendig zu produzierenden Modelle wie Bandonion, Konzertina, Symphonetta einschließt. Ab 1933 jedoch und besonders nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, als die politische Obrigkeit durch rigide Bestimmungen, Materialkontingente, Firmenenteignungen (Arisierung) und andere Maßnahmen substantiell in Produktion und Handel eingreift und die gelenkte Werbung das Käuferverhalten kanalisiert, reduziert sich die Zahl der Betriebe.
Nach 1945 kann in Sachsen und Thüringen nicht an die Verhältnisse vor 1933 angeknüpft werden. Die volkseigenen Betriebe der DDR setzen auf die Akkordeonproduktion eines begrenzten Sortiments. In der BRD schlagen Initiativen zum Aufbau neuer Firmen bis auf wenige Ausnahmen fehl. Nur die Matth. Hohner AG Trossingen besteht als Großbetrieb weiter. Ob die Vereinigung Deutschlands positive Wirkungen auf die inländische industrielle Harmonikaherstellung haben wird, läßt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschätzen.
Auf den Frankfurter Musikmessen der 1980er und 1990er Jahre sind neben den Harmonikas deutscher Produktion Instrumente aus folgenden Ländern präsent gewesen: Italien, Frankreich, Belgien, Schweden, Österreich, Slowenien, Tschechoslowakei bzw. Tschechische Republik, Hongkong, Japan, China. Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß Hersteller von Modellen, die primär einer bestimmten regionalen oder musikalischen Tradition angehören, die Messe nicht beschicken, aber dennoch einen bedeutenden Beitrag zum Harmonikabau leisten: Großbritannien mit English concertinas, die Schweiz mit den Örgeli, Indien oder Rußland mit variantenreichen Sortimenten. Als Folge des weltweiten Revivals der Diato, jener handlichen Wechseltonharmonikas, die in vielen Kulturen eigene Musikstile prägen, zeigen sich vielerorts Initiativen zu handwerksmäßiger Fertigung hochwertiger Instrumente, die in kleinen Serien oder nach Sonderwünschen ausgeführt werden. Sie gewährleisten, daß die Handwerkskunst des Harmonikabaus weitergebührt wird.
V. Technische Einrichtung, Modelle und Varianten
Voraussetzung für die Verzahnung der technischen Experimente innerhalb des Harmonikabaus ist, daß die den neuen Klangwerkzeugen zugrundeliegenden, wesentlichen Erfindungen nicht nur erdacht und in Instrumenten manifest, sondern vielerorts bekannt und zugänglich sind. Zwei der wichtigsten Initiatoren in diesem Sinne sind der kgl. bayerische Rentamtmann Eschenbach und der einer Instrumentenbauerfamilie entstammende Buschmann. Kontakte zu Eschenbach unterhalten Johann David Buschmann, Haeckl, Friedrich Sturm u.a. innovative Instrumentenkonstrukteure, denn er teilt bereitwillig sein Wissen und den Stand seiner Experimente mit - entgegen dem Usus der Zeit, den Innenbau klingender Körper geheim zu halten oder Interessierte absichtlich falsch zu informieren. Der Prototyp seines Durchschlagzungenspiels ist beschrieben (AmZ, 1820, Sp. 505) als oblonger, flacher Kasten leichter Bauart mit einer Klaviatur von 3 1/2 Oktaven, unter dem ein per Knie zu Betätigendes Balgwerk befestigt ist. Eschenbachs Erfindungen sind erstens der instrumentenname Aeoline, zweitens die Verbindung eines direkt wirkenden Druckbalges mit einem Kanzellenwerk, das abgestimmte Metallzungen, befestigt auf Platinen über Schwingungskanälen, enthält. Die Luftzufuhr ist willkürlich steuerbar und ermöglicht, im Gegensatz zum Orgelgebläse, Crescendi und Decrescendi auf jedem Ton (AmZ, 1820, Sp. 505). Buschmanns Erfindung besteht in der Modifikation der Luftzufuhr, indem er Strömungen entgegengesetzter Richtungen direkt auf ein- und dasselbe Kanzellenwerk wirken läßt. Das Prinzip der reziproken Luftzufuhr verwirklicht Buschmann durch den Einsatz des sog. Wechselbalges in Dilatation und Kontraktion eines luftdichten Faltengefüges oder durch Einziehen von Luft in die Lunge und das Herausblasen. Wie die Atmung sich aus Aspiration und Exspiration (nach der Terminologie von Sachs) zu einer Einheit zusammensetzt, so kann die Luftströmung zweier entgegengesetzter Phasen die Zyklen der musikalischen Bewegung in optimaler Weise wiedergeben und zu einem Ganzen verschmelzen.
Eschenbach und Buschmann machen ihre Erfindungen publik und demonstrieren sie in ihren Instrumenten, am Aufbau des neuen Produktionszweiges wirken sie jedoch nicht entscheidend mit. Denn Eschenbach interessiert nicht die wirtschaftliche Verwertung seiner Ideen, und Buschmann ist zunächst vorrangig beschäftigt mit dem Bau und der Vervollkommnung des Terpodions, dem von seinem Vater entwickelten Friktionsspiel, das er auf vielen Konzertreisen bekannt macht. Erst 1835, mit Gründung seiner eigenen Firma in Hamburg, konzentriert sich Cht. Ft L. Buschmann aufdie Perfektionierung der Durchschlagzungenspiele. Wieder modifiziert er die Luftzufuhr und entwirft Instrumente, die ausschließlich auf Sogluft reagieren. Des weiteren baut er zweichörige Wechselbalg-Harmonikas, in denen jede Taste den Grundton und die Oktav zugleich angibt und liefert Sätze zu je drei Instrumenten, die sich in ihren Lagen ergänzen. 1848 heißt es dazu: »Auch das Akkordion hat Buschmann sehr vervollkommnet. Es sind nämlich alle 6 bis 7 Octaven eines ganzen Orchesterinstrumentes über drei Akkordions vertheilt, von denen jedes 2 Octaven und 2 überzähligle Töne hat. Drei Akkordion erreichen dasselbe, was eine Physharmonika; letztere wiegt 250 Pfund, jene drei kaum 12 Pfund« (AmZ, 1848, Sp. 62).
1. Harmonikainstrumente für Luftströmungen einer Richtung
Haeckl, »kk priv. Phys-Harmonica Erzeuger« in Wien (Patent Nr. 661, Wien 1821), verändert das Gebläse der Eschenbachschen Aeoline. Er verbindet das Kanzellenwerk mit dem aus dem frühen Orgelbau bekannten Widerbläser. Eine Beeinflussung der Tonstärke kann auf seinem Instrument durch den differenzierten Tastendruck erreicht werden, denn »je weiter ein Ventil sich öffnet, desto mehr wind kann in die Canzelle dringen, und desto stärker natürlich ist der Ton« (G. Schilling, Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, Bd. 5, Stg. 1837, S. 448), des weiteren durch die Drosselung der Windzufuhr mittels eines Pianozuges oder durch eine Dämpfung der Klangabstrahlung. Der Balg der zierlichen, mobilen Ausführungen der Physharmonika, der sog. Cabinet-Modelle, ist durch einen aus der linken Seitenwand des Korpus herausragenden Hebel per Hand zu bedienen oder per Fuß über ein Seilzugpedal, das auf den Schwenkarm wirkt.
Das gleiche Balgprinzip ist in der amerikanischen Schoßorgel angewendet. Der Widerbläser ist hier indessen nicht vollständig in das Gehäuse eingeschlossen. Um die Luft aus dem unteren externen Balgteil in den oberen zu pressen, drückt der Spieler mit seinem Unterarm auf den Korpusrahmen (Elbow melodeon) Insofern kann das Manual nicht randständig sein, sondern ist gegen die Mitte der Korpusdecke hin verlagert. Es setzt sich zusammen aus Knopf- oder Stabtasten, wobei der üblichen Klaviertastenfolge entsprochen ist (Abb. 5)
Die Einrichtung des Widerbläsers wird gegenwärtig genutzt für die in Indien verbreitete Sruti-box. Sie konserviert jene ursprüngliche Ausprägung, bei der die Schöpfkammer des Balges durch eine Spreizfeder offen gehalten ist Indem die Bodenplatte des Schöpfers auf die starre Zentralwand hin bewegt wird, drückt sich die Spreizfeder zusammen und die komprimierte Luft entweicht über Verbindungskanäle in die Blaskammer, deren Deckplatte sich infolgedessen hebt. Vermittels ihres Eigengewichts und zweier von außen wirkender Druckfedern sinkt die Deckplatte der gehüllten Blaskammer bei nachlassender Luftzufuhr nieder, komprimiert Gleichfalls Luft, die ihrerseits das Lederventil über den Verbindungskanälen schließt und sich Ausgänge durch das auf der Deckplatte liegende Kanzellenwerk sucht. Nach Öffnung von Drehdeckern trifft die Luftströmung auf bestimmte Zungen und bringt sie zum Tönen Aufgrund ihrer Bestimmung, Borduntöne gleichmäßiger Lautstärke kontinuierlich zu halten, benötig die Sruti-box keine Tastatur im engeren Sinn. Eingestellt werden die gewünschten Töne jeweils vor Beginn des Spiels über Drehklappen.
Ein Balgwerk abweichenden Prinzips besitzt die Harmoniflüte (Abb. 10), die von Pariser Herstellern wie Alexandre, Busson, Kasriel, Limonaire Frères und Mayermarix in Varianten unter Bezeichnungen wie accordéon-orgue, flûtina, accordéon-flûtina, piano-concertina angeboten wird. Hier liefert der auf der dem klavierähnlichen Manual entgegengesetzten Korpusseite gelegene Schöpfbalg Exspirationswind in einen anschließenden zweiten Faltenbalg, den Kompensationsbalg Seine Funktion ist es, die Windstöße des Schöpfers auszugleichen und eine regulierte Luftströmung in den Windkasten einzuleiten. Während der Ansaugperiode des Schöpflbalges leert sich der Kompensationsbalg kontinuierlich unter dem Druck einer Feder so lange, bis der Schöpfer wieder in der Lage ist, ihn erneut zu füllen. Der Ton der Harmoniflûte ist in seiner Dynamik gleichmäßig, er kann während des Spiels nicht differenziert werden.
Weichen die Harmoniflûte und die Widerbläserinstrumente erheblich von der Intention der Aeolinenkonstrukteure ab, dynamisch nuancierbare, ausdrucksstarke Töne bei kontinuierlicher Luftzufuhr zu erzeugen, so treibt Reinlein aus Wien durch seine Aeol-Harmonika die Entwicklung voran (Patent Nr. 1177, Wien 1823). Auch Debain, dessen frühe instrumente noch nach dem Widerbläserprinzip arbeiteten, versucht in seiner Harmonina, der Aeolinenidee näher zu kommen. Der hinter dem Gehäuse extern liegende Schöpfbalg treibt auf Druck seinen Luftinhalt zunächst in den zentralen Windkasten, dann weiter in den frontalen Magazinbalg. Während der Schöpfperiode speist der mittels einer Feder sich zusammenziehende Magazinbalg den Windkasten so lange, bis der Schöpfer wieder gefüllt und zum Luftgeben bereit ist. Gebläseeinrichtungen mit einem Magazinbalg dieser Art finden sich in der Bibelharmonika und in einigen Modellen des sog Einhand-Harmonium. Sie sind in der Lage, dynamisch variable Töne beliebiger Länge zu bewirken, zu einer nuancierenden Tongestaltung und Artikulation eignet sich ihr Balgprinzip nicht.
Mit Hilfe des Einkammerbalges hingegen kann der Spieler direkt Einfluß nehmen auf den Schalldruck und somit auf die Dynamik, jedoch nur während einer einzigen Periode; je nach Auslegung des Instruments also entweder während der Ausströmperiode (Druckharmonika/Quetsche) oder während der Zugperiode (Ziehharmonika). Vergleichbar dem Bläser des Harmonicor oder der Harmonitrompe, der seine Lunge durch rasches Luftholen auffüllen muß, ventiliert der Instrumentalist durch eine abrupte Balgbewegung in der jeweiligen Gegenrichtung, bevor das Spiel fortgesetzt werden kann. Einmanualige Instrumente und Fußbässe (Abb. 11) haben die automatisch wirkenden Ventile im Balgboden, zweimanualige verbinden die Balgböden auf die Weise, daß sie einen zentralen Hohlraum bilden, in dem die Ventile tätig sein können.
Um den intermittierenden Spielwind in einen annähernd kontinuierlichen umzuwandeln und dennoch die dynamische Gestaltung so weitgehend wie möglich zu gewährleisten, erweitern Leclerc und Arthur Quentin de Gromard den Einkammerbalg zum Zweikammerbalg. Dessen beide Enden sind im Korpusinneren des Mélophone oder des Cecilium fest verankert, damit seine zentrale, luftundurchlässige Trennwand abwechselnd auf sie zu bewegt werden kann. Dabei saugt eine der Kammern Luft an, während die andere sich leert und umgekehrt. Das Kanzellenwerk des Mélophone ist eingerichtet für Exspirationswind, das des Cecilium reagiert auf Aspiration.
Werden die beiden Balgkammern zu selbständigen Einheiten und räumlich getrennt durch einen Sammelbehälter mit unveränderlichem Volumen, müssen ihre Deckel zu bewegen sein. Um beide Deckel simultan mit einer Hand steuern zu können, sind sie verbunden durch eine Schubstange. Ihre Traktion bewirkt das gegenläufige Schöpfen und Abgeben von Luft (Patent Nr. 219. 336 an Hermann Ehbock, Bln. 1909).
In der Symphonetta (Patent Nr. 122.538 an Richard Scheller, Bln. 1900) hingegen sind die beiden Bälge nicht starr verkoppelt, sondern jede Hand dosiert die Luftströmung. Aufgrund zweier Windkästen unveränderlichen Volumens, die durch ein Windleitsystem verbunden sind, bietet Schellers Gebläseeinrichtung die direkte, ununterbrochene Zufuhr von Exspirationswind und gestattet, den Ton in jeder Weise dynamisch zu formen, zu artikulieren und beliebig lange auszuhalten. Die beiden Hände des Spielers bewegen die Manuale gegenläufig auf und nieder, während die Finger die Knopftastaturen abgreifen.
Eine im Vergleich zur Symphonetta weniger differenzierte kontinuierliche Luftzufuhr gestattet das Dreibalgsystem der Pedalharmonika: Zwei Tretschöpfer versorgen mit Exspirationswind den durch die Hände dirigierten, zentralen Steuerbalg des Instrumentes (Abb. 12).
Vorschläge für Balgkombinationen und Luftleitsysteme sind zahlreich und großteils in Patenten niedergelegt, so zuletzt durch Arnold Weirig (Nr. 9.002.390, P. 1990). Dergestalt realisierte Harmonikas sind jedoch bislang marginal geblieben aufgrund ihrer aufwendigen, kostenintensiven Fertigung und der erforderlichen Umstellung der Balgführungstechnik seitens der Musiker.
Balglose Harmonikas, die auf eine einzige Windrichtung programmiert sind, können unterschieden werden gemäß ihres Windeingangs in direkt angeblasene Kanzellenwerke (z. B. die Hohner Mundharmonikas Polyphonia und Educatorbaß) und in über ein Mundstück anzublasende Windkapselinstrumente wie Neu-Tschiang (Abb. 13; s. AmZ, 1829, Sp. 489f.; 1830, Sp. 561f.), Symphonion und Harmoniphon. Je nach Entfernung des Instrumentenkorpus vom Munde kommen elastische Schläuche zur Anwendung, Rohre oder Lippenstützen. Mundstück-Harmonikas bieten zur Auswahl aus dem Tonvorrat entweder Tasten- und Klappenwerke, die die Windpassage freigeben, oder verlangen Lochdeckung durch die Fingerkuppen zwecks Isolierung der gewünschten Töne aus dem Kontingent.
Die Wetterharmonika (Albin Bauer, Markneukirchen vor 1882) fängt durch Trichter den Wind einer Richtung ein und leitet ihn zum Zungenwerk (Abb. 14). Das Instrument, dem Wind ausgesetzt, gibt Harmonien, die in ihrer Dynamik bestimmt werden durch seine Stärke.
2. Harmonikainstrumente für reversible Luftströmungen
Die Idee Buschmanns, reversible Luftströmungen zu erzeugen und im Instrumentenbau nutzbar zu machen, zielt einerseits aufdie Bereitstellung dynamisch nuancierbarer Töne und Tonkombinationen, andererseits auf die Herstellung möglichst kleiner aber tonreicher Instrumente. Da die auf einem Träger fixierte Durchschlagzunge nur schwingt, wenn die Luftströmung ihre Außenfläche trifft, sind bei reziproker Luftzufuhr je Ton zwei Zungen unerläßlich, sofern dieser Ton in beiden Luftrichtungen verfügbar sein soll (Abb. 15). Dabei ist es dem Instrumentenbauer freigestellt, diese beiden Zungen einer Platine und einer Kanzelle zuzuordnen, sie zu verteilen auf zwei Platinen über einer Kanzelle oder auf zwei Platinen über zwei Kanzellen. In jedem Fall aber ist die Zungenmontage rectoverso vorzunehmen, um der jeweiligen Luftströmungsrichtung zu entsprechen. Ist ein Zungenpaar über einer Kanzelle plaziert, erfordert es die Ansprache- und Klangqualität vornehmlich der tieferen Lagen, die Schwingungskanäle auf ihrer Freiseite durch ein elastisches Leder abzudecken, das sich nur öffnet, wenn der Luftstrom den Schwingungskanal passiert.
Instrumente, die mit reziproker Luftzufuhr auf ein und dasselbe Kanzellenwerk arbeiten, unterbrechen ihren Klang bei jedem Wechsel der Phase, denn die Luftströmung endet definitiv. Aufgrund der gegenläufigen Luftrichtungen herrschen unterschiedliche Bedingungen für die Windpassage sowie bei der Klangabstrahlung, und ein Ton, der gebildet wird, wenn Aspirationswind dem Instrument zuströmt, weist eo ipso weniger hohe Partiale auf als der gleiche Ton in umgekehrter Phase. Zahlreiche Innovationen zielen darauf, der durch Ex- und Aspiration bedingten Inhomogenität entgegenzuwirken, sei es durch Kanzellenaufsätze oder durch Einrichtungen zur differenzierenden Dämpfung, sei es durch Konfiguration mehrerer Chöre mit ausgleichender Tendenz oder durch den Einsatz des egalisierenden Tremolando Auch beim Reinstimmen im Instrument werden Unterschiede so weit wie möglich nivelliert, was nach Gehör, nicht nach Meßwerten erfolgt.
Die außerordentliche Chance beim Einsatz reversibler Luftströmungen liegt aber darin, eine Kanzelle für zwei oder mehrere Zungen unterschiedlicher Tonhöhen vorzusehen. Eine solche bisonore Anlage, ursprünglich dem Wunsch nach zierlichen, tonreichen Instrumenten erwachsen, folgt dem Gebot größtmöglicher Materialund Raumausnutzung und manifestiert sich am deutlichsten in winzigen Mundharmonikas im Maße von 3,5 x 1,2 x 1,0 cm, die fünf Kanzellen a zwei Zungen besitzen und zehn Töne im Tonraum einer Dezime respektive zwei fünftönige Akkorde (T D7) bieten.
Der Wiener Orgelbauer Demian und seine Söhne Carl und Guido, wie viele ihrer Zeitgenossen fasziniert von der Kapazität der kleinen, mehrzüngigen Mundharmonika, beschreiben in ihrem Patentgesuch (Nr. 1757, Wien 1829) ein einmanualiges Tasteninstrument mit Wechselbalg, in dem fünf Kanzellen mit je zehn Zungen auf Sammelplatinen besetzt sind, damit unter jeder Taste zwei fünftönige Akkorde untetschiedlicher Zusammensetzung parat liegen. Durchaus angemessen prägen sie für dieses Instrument den Namen Accordion. Der Korpus des patentierten Accordion mißt in seiner Länge 22,5 cm, die Breite beträgt knapp 9 cm, die Höhe bei geschlossenem, zweifaltigen Balg s cm zuzüglich 3,5 cm für das Grifflbrett, das Gesamtgewicht liegt unter einem Pfund. Das Kanzellenwerk ist als kompakter Einsatz konzipiert und zeigt fünfparallele Kastenkanzellen gleicher Dimension; die Stimmplatten sind in das Kanzellenholz eingeschoben. Das Regierwerk ruht extern auf einer Palette (Schieber), die über den belederten Stegen des Kanzellenwerks dieses hermetisch abschließt. Sie gleitet in den Nuten des Korpusrahmens und erfüllt gleichermaßen die Funktionen einer Gehäusedecke, eines mit Tonlöchern versehenen Montierbodens und eines Grifferstträgers.
Die Kombination von Kanzelleneinsatz und Palette findet sich als Baucharakteristik im einmanualigen Accordéon parisien wieder (»accordéon romantique« nach der Terminologie von P. Monichon [ 1985, S. 38 ] mit »sommier« und »coulisse«) indem es jedoch die durchgängige Akkordprogrammierung und somit die Großraumkanzellen verwirft, statt ihrer Einzeltöne bietet, müssen für diese entsprechend viele Tasten bereitstehen. Die massiven Holzdecker und breiten Stabtasten werden demzufolge ersetzt durch zierliche runde Decker, Klavisdrähte und schmale Tastenhebel mit Perlmuttasten. Im Rahmen der Einführung einer zweiten Tastenreihe wandert das Griffbrett in die Mitte der Palette und wird gleichsam zur Achse, von der aus die Klavisdrähte distal wegstreben, um die Tonlöcher zu erreichen. Denn die Randlage der Tonlöcher ist unausweichlich aufgrund der Kanzellenauslegung im Einsatz. Hier sind vom Rande her die Einzelstimmplatten in das Kanzellenholz geschoben. Ein zweireihiges 48 töniges Accordéon parisien der unter Louis Philippe (1830-1848) charakteristischen Bauart besitzt 24 Tasten (inklusive Zwillingstasten: jumelles) und zwei affine Wippklappen (bascules d'harmonie), eine Applikaturstange (barre) und den Sockel mit der Luftklappe.
Auch die viktorianische Concertina jener Zeit enthält den Kanzelleneinsatz (pan) mit in Führungsschlitze eingeschobenen Einzelstimmplatten sowie die randständige Anordung der Tonlöcher. Das Kanzellenlayout ist radial. Abweichend von der kontinentalen Bauart bildet das Regierwerk hier jedoch eine von der Gehäusedecke unabhängige, separate Einheit auf eigenem Montierboden. Es gibt kein Grifflbrett sondern zwei Manuale, die annähernd zentrisch die Gehäusedecken besetzen; ihre zierliche Stifttastatur gliedert sich in vier Ketten. 48 Töne, alternierend auf zwei Manuale verteilt, sind 48 Stifttasten zugeordnet. Als Haltepunkte der Hände sind Daumenschlaufen und korrespondierende Stützen für die kleinen Finger vorgesehen. Der Korpus zeigt im Umriß ein regelmäßiges Sechs- oder Achteck mit zentraler Balglage und zwei im Prinzip baugleichen Gehäusen. Aufgrund ihrer kompakten Bauweise mißt die treble concertina kaum über 15 x 15 x 15 cm und wiegt um 1000 Gramm.
Die einreihigen bisonoren (s. VI.1.) Griffbrettharmonikas der Wiener Werkstätten des Vormärz mit 6 bis 14 Knopf-, Scheiben- oder Stabtasten scheiden sich, abgesehen vom Schiebet Demians mit seinem Kanzelleneinsatz, in vier Konstruktionsarten; der Terminologie einiger instrumentenbauer zufolge in Flachdeckel, Unterdeckel, Griffdeckel und Freideckel. Kennzeichen des Flachdeckels ist, daß Gehäusedecke, Montierboden und Kanzellenholz eine Funktionseinheit bilden Beim Unterdeckel-Prinzip hingegen ist die Gehäusedecke ein selbständiges Bauelement. Gehäuserahmen und Moptierboden sind fest verbunden (Patent Nr. 1567 an Franz Bichler und Heinrich Klein, Wien 1834). Griffdeckelinstrumente besitzen keinen Montierboden, vielmehr übernimmt der Griffselbst die Trägerfunktion für Regier- und Kanzellenwerk und mutiert gewissermaßen vom Griffbrett zu einem Griffkasten, der partiell extern und intern arbeitet (Patent Nr. 2989 an Johann und Heinrich Klein, Wien 1840; Patent Nr. 3555 an Steinkelner, Wien 1840; Patent Nr. 3710 an Johann Remenka, Wien 1842). Der Freideckel liegt paßgerecht im Gehäuserahmen, ohne eine feste Verbindung mit ihm zu bilden. Er vereinigt die Funktionen aufsich, Träger des Regierund des Kanzellenwerks sowie des Griffs oder Grifflholmes zu sein.
Die in der Folge entwickelten Balgharmonikas lehnen sich an eines der genannten Konstruktionsprinzipien an Beim Ausbau zu bilateralen Instrumenten kommt es zur Kombination zweier Arten oder zur Anwendung eines einzigen Bauprinzips. Eines der über Jahrzehnte in aller Welt erfolgreichsten Modelle (german accordion or melodeon, accordéon allemand; Abb. 16) trägt Flachdeckel beiderseits des Balges. Indem die Kanzellen des Akkordwerks nicht mehr im Gehäuse liegen sondern nach außen verlegt sind, können sie auf ein optimales Maß vergrößert werden zum sog Brummkästchen Es ermöglicht sonore Fülle für Akkorde und Bässe in der tiefen Lage und favorisiert bei Qualitätinstrumenten die Bildung von Differenztönen. Mit Stoßklappen ausgestattete Brummkästchen bieten bis zu fünf sog Stöpselbässe zuzüglich einer Luftklappe gleicher Bauweise. Werden die Stoßklappen ersetzt durch Hebelklappen, faßt das Brummkästchen bis zu 10 Klappen bei dispersiver Anordnung. Eine Ergänzung um zwei bis vier Knopftasten oder die Kombination mit Winkelklappen schaffen Arrangements von maximal 20 bisonor besetzten Effektoren. Flachdeckel ohne Brummkästchen mit im Prinzip gleicher Regierwerkmechanik für beide Hände erlauben im Akkordwerk-Manual mehrzeilige Tastenlayouts.
Das Unterdeckelprinzip beiderseits findet sich am markantesten ausgeprägt in der Wiener Harmonika. Es ermöglicht die in den Gehäuserahmen frontal integrierte Lage des Akkordwerk-Manuals. In einer Zeile stehen dort bis zu 12 Scheibentasten, üblicherweise sind die Tastaturen jedoch mehrzeilig organisiert.
Belege für die bilaterale Anwendung des Griffdeckelprinzips fehlen bislang, entweder ist das Hauptmanual dieser Bauart zufolge konzipiert oder das Akkordwerk-Manual.
Hingegen ist der Freideckel konsequent realisiert in den Bandonion- und Konzertinamodellen. Uhlig übernimmt vom Demianschen Accordion die Bisonorität, das Regierwerk von Holz mit zunächst fünf Tasten und die Sammelplatinen, nicht aber deren Akkordprogrammierung. Seine Instrumente sind bilateral griffbrettlos eingerichtet und haben Quaderform Zum Zweck der ergonomischen Ausformung arrangiert Uhlig die Tasten analog des Bogens, den die Fingerkuppen bei Handauflage beschreiben. Jedes Manual besitzt einen Holm, an dem der Handriemen befestigt ist, der dazu vorgesehen ist, über den Handrücken zu verlaufen. Gleichzeitig bietet der Holm dem Daumen Halt und Steuerkontakt.
3. Experimentierfeld Harmonika
Trotz signifikanter Konstruktionsmerkmale bildet der Harmonikabau keine Prototypen aus. Allenfalls handelt es sich um Konstanten oder Leitformen, die von den instrumentenbauern mit Variablen gefüllt werden. Denn allzu viele modifizierbare Teile enthält der komplexe Funktionsmechanismus einer Balgharmonika. Sie ist gleichsam ein Reservoir, in das hunderte von Details einfließen, aus dem heraus aber auch diverse Details extrahiert werden, um in neuer Zusammensetzung eine Variante zu bilden.
Balglose Instrumente stellen das erste Experimentierfeld des Harmonikabaus dar, und viele der Erkenntnisse sind an ihnen empirisch gewonnen Buschmann und Reinlein arbeiten zunächst mit durch Atemluft zum Klingen gebrachten Durchschlagzungen, Ernst Leopold Schmidt baut die Apollo-Lyra mit Mundstück, bevor er seine Balgversion vorstellt, Schopp erfindet die Metallhoboe (Patent Nr. 2254, Wien 1836) und steigt dann erst in den Accordionbau ein, Wheatstone kreiert das Symphonion vor der English concertina. Auch das praparierte Akkompagnement, das in den Blasakkordeons der Jahrhundertwende eine Blüte erlebt, ist bereits in den Pioniertagen der Harmonika präsent. Trotz einer Vielzahl unterschiedlichster Realisierungen balgloser Tasteninstrumente, von denen einige Modelle zeitweise in Serie und hohen Auflagen produziert werden, bleiben sie doch marginal. Nur für die Mundharmonika in all ihren Varianten bildet sich ein konstanter Markt in aller Welt. Dennoch sind für die Perfektionierung der Produkte die an Balglosen gewonnenen und demonstrierten Innovationen allemal von Belang innerhalb der gesamten Branche.
Die technische Einrichtung, die das Klanggefüge der Harmonikainstrumente ganz wesentlich prägt, ist die Zusammenstellung von Kanzellen samt Stimmplatten zu einem Chor gleichen Klangcharakters und die Konfiguration mehrerer Chöre. Sie korreliert nicht nur mit den Folgeeinrichtungen, sondern bestimmt diese weitgehend. Deshalb betreffen zahlreiche Patentschriften den Bereich der Konfiguration, sei es die unveränderbar programmierte, sei es die ad libitum einstellbare mit Hilfe von federnden Schlitten oder einrastenden Registerschleifen. Invariabel konzipierte zweichörige Mundharmonikas in Wiener Octav oder im Wie er Tremolo besetzen die Haupt- und die Komplementärkanzelle mit je einer Zunge im Gegensatz zur Knittlinger Octav, deren Kanzellen mit je einem Zungenpaar versehen sind Enthält die Komplementärkanzelle weder eine Oktave noch eine Prim leichter Schwebung, sondern eine kleine Sekunde, ist der Schlitten zum wahlweisen Schließen von Kanzellenreihen unabdingbar. Er erfüllt die Funktion eines Transponierregisters zur Tonhöhenmodifikation.
Balgharmonikas mit auf die Klangfarbe wirkenden Mixturregistern sind im Bericht über die allgemeine deutsche industrieausstellung zu München 1854 erstmals beschrieben, auch 1855 zur Exposition universelle de Paris werden sie noch als nouveauté hervorgehoben. Der Vierfuß tönt als vox angelica oder jeu d'ange, der Achtfuß als flûte (Flötenprinzipal), im grand jeu respektive tutti sind beide Chöre vereinigt. Der Schwebeton voix céleste ist gebildet aus zwei Chören, deren Frequenzen um wenige Hz differieren. Vox humana bezeichnet das Tremolando. Es ist zu den Effektregistern zu zählen, denn es steht nicht in direktem Zusammenhang mit dem Kanzellenwerk. Vielmehr handelt es sich um einen Mechanismus, mit dem eine Trennplatte zwischen Balg und Gehäuse ausgerüstet ist. Er hat die Aufgabe, die Luftströmung entweder unverändert durch eine Öffnung passieren zu lassen oder durch einen auf der Platte installierten Kanal zu leiten. Dieser ist mit einem Schlagventil, selten mit einem kleinen Rotor, versehen, um die Luftströmung periodisch zu hemmen und freizulassen.
1873 zeigen in der deutschen Abteilung der Wiener Weltausstellung einige Balgharmonikas bis zu 15 Registerknöpfe. Sie beziehen sich, abgesehen von der Konfiguration, auf die Dynamik wie der Pianozug sourdine, auf Effekte wie der Glockenzug oder stellen blinde Register dar.
Das Kanzellenwerk selbst erhält neben dem Oktav- und Schwebeton weitere Chöre. Sie dienen der Intervallkopplung als Kollektiva (Terz- und Quintregister) oder bilden zusätzliche Mixturen. Gegen Ende des 19. Jh. erfreuen sich in Deutschland vielchörige Balgharmonikas größter Beliebtheit. Eine einreihige sog. Orgelharmonika (Abb. 17) gestattet bei axialer Klavesauslegung bis zu 10 Chöre Continental beispielsweise, eine von der Firma Herfeld & Co (Neuenrade/ Westfalen) vertriebene Produktversion, besitzt für 10 Tasten 200 Zungen auf 100 Kanzellen (zuzüglich 14 Zungen des Akkordwerks: je Akkord vier, je Baß drei Zungen), die über 10 Registerzüge aktiviert werden können. Auch Bandonions, Konzertinas, Harmoninen und balglose Harmonikas werden mit Registern angeboten.
Die klangerzeugenden, verstärkenden, qualitativ verändernden und abstrahlenden Komponenten einerseits, Physiognomie und Fertigungsverfahren andererseits stimulieren immer wieder zu Veränderungen und Neuerungen, und die Ergebnisse offenbaren sich primär in Instrumenten, sekundär in Bild- und Schriftquellen. Seit der Schaffung des einheitlichen Urheber- und Patentrechts im Deutschen Reich und des Erfinderschutzes 1877 können die Innovationen an zentraler Stelle niedergelegt werden. Das früheste Deutsche Reichspatent (DRP) im Harmonikasektor datiert vom 6. Sept. 1877 und trägt die Nummer 227. Gegenstand der Erfindung ist eine Harmonika mit zweigeteiltem Balg und kreisförmigem Querschnitt. Ziel des Patenthalters C. E. Lehmann aus Pirna ist es, durch diese Gestaltung »die Töne des Instruments schneller und leichter ansprechen zu machen und weniger scharf zu Gehör zu bringen« (DRP 227, Bln. 1877). In den folgenden sieben Dezennien kommen in der Patentklasse 51c mit den Gruppen 27 bis 35 rund 450 Patente hinzu, darin nicht eingeschlossen die Patente für mechanische Mund- und Balgharmonikas, für mobile, jedoch den harmoniumartigen zugerechnete instrumente, für Stimmplatten, für Balgwerke jenseits des Wechselbalgs und für Wetterharmonikas. Zum Patentschutz tritt ab 1891 der Gebrauchsmusterschutz. Er betriff Erfindungen kleinerer Wertigkeit und wird von den Harmonikaherstellern rege in Anspruch genommen, wie Stempel und Etiketten mit Angabe der DRGM-Nummer (Deutsches Reichs-Gebrauchsmuster) an Instrumenten vielfach belegen Anzahl und Qualität der einschlägigen Gebrauchsmuster sind bislang nicht erschlossen.
Ein Indiz dafür, daß die Auseinandersetzung mit dem Klangwerkzeug Harmonika und seinen Fertigungsverfahnen auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht erlahmt, ist der Zuwachs von Patenten und Gebrauchsmustern. Bis in die Gegenwart, freilich unter anderen Voraussetzungen und in gewandelter Form nunmehr in der Patentklasse G 10d, legen einzelne Tüftler, Empiriker und Systematiker, aber auch die den Großunternehmen unterstellten Entwicklungsteams Innovationen nieder. Das Experimentierfeld Harmonika bleibt auch in Zukunft ein offenes, wenn die Endverbraucher, Musiker und Rezipienten, durch ihre differenzierte Nachfrage sich weiterhin der Normierung durch ein kanalisiertes Sortiment entziehen.
VI. Tonvorrat und seine Organisation
Das Tastenbild einer Harmonika und das Kanzellenbild einer Mundharmonika lassen nur bedingt Rückschlüsse zu auf ihren Tonvorrat und die Tonverteilung Blinde Tasten, verkoppelte Tasten, Leerkanzellen erschweren darüber hinaus die optische Analyse. Lediglich manche der gleichtönigen Modelle können visuell als solche erkannt werden, nämlich dann, wenn ihr Layout die Akzidentien von den Stammtönen räumlich trennt, farblich voneinander scheidet oder die regelmäßige Wiederkehr bestimmter Töne über die Oktaven markiert. Die Programmierung von Instrumenten ausschließlich auf eine Windrichtung involviert den Gleichton, ist ein Instrument hingegen für zwei Windrichtungen eingerichtet, kann es unisonor (gleichtönig) oder bisonor (wechseltönig) konzipiert sein oder eine Kombination beider Potentiale darstellen (»hybrid« nach der Terminologie von H. Boone 1990). Der Tonvorrat als die Summe der Töne unterschiedlicher Tonhöhe korreliert zwar mit dem Zungenvorrat eines Instruments, deckt sich mit ihm jedoch nicht zwangsläufig. Auch korrelieren Tonvorrat und Tastenzahl, ohne kongruent sein zu müssen. Hierin liegt eine signifikante Eigentümlichkeit von Harmonikas, aus der heraus sich jene zahlreichen Dispositionen ergeben, die ihrerseits jedes Modell, selbst bei gleichem Tonvorrat, unterschiedlich konditionieren.
Der Tonvorrat kann aus Einzeltönen bestehen und/oder aus Tonkombinationen, worunter Akkorde vorherrschen. In jedem Fall bieten wechseltönige Anlagen gegenüber den unisonoren den Vorteil, doppelt so viel verschiedene Töne bei gleichem Raum- und Materialbedarf verfügbar halten zu können. Bei der Forderung nach Mobilität und Maniabilität, die für alle Harmonikas gilt, ist dieses Kriterium von wesentlicher Bedeutung. Instrumentengewicht und -größe in einer Weise zu minimieren, daß weder Tonvorrat noch Tonvolumen berührt werden, ist besonders relevant für Tastenharmonikas; vielfältige Realisierungen zur Optimierung von Tastenform, Tastenlayout, Manualstruktur einerseits, Ton- und Kanzellenorganisation andererseits belegen eine intensive Auseinandersetzung der Instrumentenbauer mit den Wünschen der Harmonikaspieler.
Bezüglich der Tonauswahl und der Gruppierung der Töne sind zwei konträre Gesichtspunkte erkennbar: Entweder ist die Disposition ausgerichtet auf die bequeme Erreichbarkeit eines relativ kleinen, überschaubaren Tonvorrats unter Verzicht auf selten benötigte Töne und Harmonien oder sie basiert auf dem Grundsatz einer systematischen Anlage. Graduelle Abstufungen zwischen diesen Polen ergeben sich aus dem spezifischen musikalischen Material jener Musik, für die das Instrument sich als geeignet zu erweisen hat Wie es sich zeigt, besitzen nur wenige Harmonikamodelle einen standardisierten Tonvorrat in verbindlicher Organisation.
Generell ist zu unterscheiden nach Instrumenten, deren Tonvorrat statisch, d.h. in allen Oktaven gleich strukturiert ist und solchen, deren Tonvorrar dynamisch organisiert ist in dem Sinne, daß Tonregionen abweichend voneinander besetzt sind. Hinsichtlich der Anzahl unterschiedlicher Töne pro Oktave sind die an Gebrauchsleitern orientierten Dispositionen zu trennen von den tonartlich neutral konzipierten. Sie sind herkömmlicherweise definiert als diatonisch und chromatisch. Der gesamte Tonvorrat ist entweder permanent oder aber durch Registriereinrichtungen wahlweise verfügbar. Diatonische Harmonikas können als transponierende Instrumente eingesetzt werden, unabhängig davon, ob sie mit tonhöhenmodifizierenden Registern ausgestattet sind.
1. Bisonore Dispositionen
Die Möglichkeit, durch Nutzung von Exspiration und Aspiration den beiden Luftrichtungen Töne unterschiedlicher Höhe zuordnen zu können, fuhrt zu zahlreichen Varianten innerhalb der bisonoren Dispositionen. Sie scheiden sich zunächst gemäß ihrer Phasenorientierung in Anlagen, deren Prinzipal auf Saugluft anspricht und in Anlagen, bei denen er der entgegengesetzten Phase zugeordnet ist, wie bei der Mehrzahl der Mundharmonikas und Konzertinas. Unter den Accordions zeigen sich als saugluftorientierte Modelle beispielsweise die Demianschen, die Pariser, die Russische Saratovskaja und die Steirische Harmonika; druckorientiert sind demgegenüber beispielsweise die Wiener Harmonika, die Bozener und die Böhmische. Des weiteren scheiden sich die bisonoren Dispositionen in sequential strukturierte und in zonale Anlagen. Letztere organisieren die Töne von einem Zentrum aus zur Peripherie wie beispielsweise das Bandonion rheinischer Lage. Erstere verbinden sich in zahllosen Harmonikavarianten mit einer harmoniebestimmten Anlage. Ausgangsbasis dabei ist die diatonische Skala, denn sie erlaubt die unmittelbare Nachbarschaft konsonanter Intervalle innerhalb der gleichen Luftrichtung. Allerdings lassen sich die Töne der siebenstufigen Leiter und deren spezifische Folge von Ganz- und Halbtonschritten nicht ohne Kunstgriffe in das duale Phasensystem der Luftzufuhr integrieren. Folgende Lösungen zeigen sich:
1. Die Verminderung der Tonzahl auf ein gerades Zahlenverhältnis (»Prinzip der Aussparung« nach der Terminologie von H. Hickmann, Das Portativ Ein Beitr. zur Gesch. der Kleinorgel, Kassel 1936). Zwangsläufig weist hierbei die Skala Lücken auf, sie reduziert sich zu einer »tonischen« (tonisch nach der Terminologie von H. Otto, Volkgesang und Volksschule, Bd. 2: Gesänge und Lieder in didaktischer Ordnung, Celle 1959). Verzichtet ist üblicherweise aufdie 6. Stufe, nachweisbar sind aber auch Realisierungen ohne 4. oder ohne 7. Stufe.
2. Die Vermehrung der Tonzahl auf ein gerades Zahlenverhältnis. Als Dupla fungieren die 5. Stufe oder die 1., die 6. Stufe im Union Accordion (Patent Nr. 2054, L. 1866).
3. Die Aufeinanderfolge von tonischen und diatonischen Skalen im Wechsel, so daß beispielsweise der erste Oktavraum tonisch, der zweite diatonisch, der dritte tonisch strukturiert ist.
4. Die durchgängige Präsenz der vollständigen diatonischen Skala. Über die Oktaven rotieren je Luftrichtung die Tongruppen der 1. 3. 5. Stufe und die der 7. 2. 4. 6. Stufe. Bei der schematischen Rotation ergeben sich zunehmend Divergenzen zwischen den Positionen von leitermäßig aufeinanderfolgenden Tönen, je weiter der Tonraum wird. Diesen Nachteil zu kompensieren, verzichten einige Dispositionen auf Schematreue innerhalb benachbarter Oktavräume; erst nach Durchschreiten des Doppeloktavraums von 14 Tonen ergibt sich demnach die Wiederkehr der Ausgangskonstellation, beispielsweise in der auf Terzen basierenden Disposition mit der in beiden Luftrichtungen gleichen, jedoch um zwei oder drei Stellen versetzten Stufenfolge 1 3 5 7 2 4 6 oder in der Disposition 1 3 5 7 1 3 5 kombiniert mit 7 2 4 6 2 4 6.
Die genannten vier Lösungen finden sich im Bereich der Kanzellenorganisation bisonorer Mundharmonikas sowie im Bereich all jener wechseltönigen Tastenharmonikas, deren Manuale nach Reihen konzipiert sind. Eine Tastenreihe beliebiger Länge verläuft analog der Fingerkuppenreihe der Spielhand, unabhängig von der Manualposition. Besteht die Reihe aus fünf Tasten, korrespondieren diese mit 10 Tönen, die bei diatonischer Vollständigkeit eine Dezime vom Basiston aus abdecken. Die sechstastige Reihe erweitert den Tonumfang nach der Höhe zu in eine Duodezime. Sie ist als Grundbestandteil in allen Dispositionen gegenwärtig. Im weiteren Ausbau jedoch treten unterschiedliche musikalische Prioritäten zutage, wie die Vergrößerung des Tonumfangs durch Verlängerung der Tastenreihe oder seine Binnendifferenzierung durch Akzidentien, die entweder der Tastenreihe vorgelagert oder ihrem tiefen Polton angefügt sind, oder aber die duale Präsenz ausgewählter Töne mit dem Ziel, sie in beiden Phasen spielen zu können.
Die Option für eine dieser Möglichkeiten bestimmt nicht nur die Tonunterlegung der 7. bis 12. Taste, sondern stellt auch die Weichen für die Organisation der zweiten Tastenreihe. Im Fall der Binnendifferenzierung erfolgt entweder die teilweise Chromatisierung mit Hilfe der Tasten einer Kurzreihe (organetto abruzzese: 9 plus 3) oder die komplette Chromatisierung, bei der jedoch Leerstellen, Dupla oder Zwillingstasten unausweichlich sind (Accordéon parisien). Im Fall der additiven Erweiterung wiederholt die zweite Tastenreihe den Aufbau der Basisreihe und zwar zufolge der oben genannten Prioritäten im Abstand folgender intervalle: in der Prim, jedoch mit umgekehrten Phasen, so daß alle Töne der Skala in beiden Luftrichtungen vorhanden sind; in der kleinen Sekunde aufwärts oder abwärts, so daß der Tonraum chromatisch gefüllt ist (Gaelic cairdín); in der großen Sekunde aufwärts, woraus sich ein mit 8 in ihrer Höhe ungleichen Tönen besetzter Oktavraum ergibt oder in der großen Sekunde abwärts mit 9 Tönen; in der Quarte oder in der Quinte mit einem Ergebnis von 8 unterschiedlichen Tönen je Oktavraum.
Die Ausstattung der Manuale mit einer dritten und vierten Tastenreihe steht jeweils in einer der genannten Kohärenzen zur Basisreihe. Abgesehen von der Vergrößerung und chromatischen Vervollständigung des Tonvorrats ergeben sich dabei immer mehr Töne, die in beiden Luftphasen vorhanden sind. Musikalisch relevant ist diese Tatsache für das Skalenspiel innerhalb einer ungebrochenen Phase und für ungewöhnliche Mehrklangbildungen. Faktisch aber bedeutet die duale Verfügbarkeit des kompletten Tonvorrats eine Angleichung an unisonore Harmonikas, ohne die Prävalenz wechseltöniger Dispositionen, nämlich doppelt so viel verschiedene Töne bei gleichem Raum- und Materialbedarf zu bieten, mehr zum Tragen kommen zu lassen. Die an Gebrauchsleitern orientierte bisonore Reihenorganisation bleibt jedoch deshalb weiterhin geschätzt, weil sie u.a. die Applikatur diatonisch eng gebundener Musik und das musikalische Denken in ihren Strukturen erleichtert.
2. Unisonore Dispositionen
Seit den Anfängen des Baus von Harmonikainstrumenten sind unisonore Mund- und Hand-Aeolinen integraler Bestandteil der neuen Branche, sei es unter Nutzung reversibler Luftströmungen oder solcher aus einer Richtung. Gibt eine Taste nur einen Ton, können Tastenorganisation und Tonunterlegung dem Vorbild der Pianoforteklaviatur folgen. Eschenbach, Reinlein und Haeckl entwerfen ihre Instrumente demgemäß, und Carl Schmidt, Klavierbauer in Preßburg, benennt seine Erfindung ausdrücklich »Clav-Aeoline« (AmZ, 1826, Sp. 695). Chromatische Blas-Aeolinen wie das Psallmelodicon von Johannes Weinrich (AmZ, 1830, Sp. 739) und die Apollo-Lyra von Ernst Leopold Schmidt (AmZ, 1833, Sp. 81), aber auch das für Blas- und Saugluft eingerichtete Reichsteinsche Neu-Tschiang (AmZ, 1829, Sp. 489, und 1830, Sp. 561) sind mit Klappenwerken nach Art der Flötenmechanik ausgestattet und streben die kontinuierliche Struktur »einer gewissen skalenmässigen Ordnung an« (AmZ, 1829, Sp. 492). Wheatstone hingegen entwirft sein Blasinstrument mit Knopftasten (»studs«; Patent Nr. 5803, L. 1829), die er zu Ketten gruppiert. Im Gegensatz zur Reihe verläuft die Tastenkette annähernd parallel der Knöchelfolge des Spielfingers. Wheatstone verteilt die Töne der diatonischen Leiter alternierend auf zwei Manuale, damit sich je zwei Quintketten (inklusive Tritonus) bilden, und plaziert die Akzidentien neben diese Aus der Griffanleitung für das 24 tönige Instrument Complete Scales for Wheatstone's Patent Symphonion with the Additionnal Keys Fingered by John Parry (L. [Eingangsjahr GB-Lbl: 1859]) geht der chromatisch gefüllte Tonraum c'-c''' (minus cis') hervor. Um die räumlichen Lücken in den Akzidentienketten, die sich aufgrund des Zahlenverhältnisses von fünf Akzidentien zu sieben Stammtönen ergeben, aufzufüllen, ergänzt Wheatstone in seinem Patent von 1844 zwei Akzidentiendupla und kommt auf sieben zu sieben (Patent Nr. 10041, L. 1844, figure 1). Die Anlage arbeitet demnach mit 14 Tönen pro Oktavraum. Die 48 tastige, vierkettige treble concertina hat den Ambitus g-c''''. Auch weitere Vorschläge im Patent Wheatstones für unisonore Modelle zeigen die alternierende Verteilung von 14 selbständigen Skalentönen je Oktav aufzwei Manuale.
Kontinentale Harmonikas mit unisonor unterlegten Tastaturen arbeiten mit 12 chromatischen Tönen pro Oktav und sind folgendermaßen organisiert: in skalenorientierten Aggregaten mit ein-, zweioder drei- respektive viergliedriger Struktur; in intervallorientierten Gefügen, in denen keine Taste mit ihren Nachbarinnen einen Sekundschritt bildet respektive die überwiegende Zahl der Tasten in Tonsprungverhältnissen steht; im Blockkonzept, in dem die zentrale Region der Stammtöne umschlossen ist von den Akzidentienblöcken.
Die Wiederholung von Tastenreihen oder -ketten innerhalb eines Manuals hat das Ziel, mehrere Anschlagstellen für gleiche Töne zur Wahl zu stellen. Der der Disposition zugrundeliegende Organisationsmodus bleibt unberührt. Auch ein Manual, das sich aus zwei identischen Tastaturen zusammensetzt oder eine Stabtastatur mit einer Knopftastatur bei gleichem Tonvorrat verbindet, dient lediglich der komfortablen Applikatur. Demgegenüber bieten Mehrbereichsmanuale einen erweiterten Tonvorrat, sei es indem sie das Akkordwerk in das Tastenlayout integrieren oder indem sie über eine Convertereinrichtung vom Einzelton auf den Akkord zu schalten sind.
3. Instrumente mit präpariertem Akkompagnement
Die Idee, eine Kanzelle mit mehreren Zungen ungleicher Mensur zu besetzen, um bei Druck einer einzigen Taste einen fünftönigen Akkord hörbar zu machen, realisiert Demian: »Daß man durch einen Claves einen ganzen Accord spielen kann glauben wir als die vorzüglichste Neuheit angeben zu können« (Privileg Nr. 1757, Wien 1829). Alle Akkorde sind von den Tönen der zugrundeliegenden diatonischen Skala aus abwärts konzipiert und zwar in der Verbindung der Ausgangstonika mit ihren Dominanten. Die Akkorde stehen vorherrschend in enger Lage. Im Ergebnis ist der harmonisierte Melodiegang fünfstimmig, wobei die Mittelstimmen und die Unterstimme nicht gebührt sind, sondern der Akkordkomplettierung dienen. Dem jeweils tiefsten Ton ist keine Baßfunktion eigen. Die Skala im Demianschen Accordion der Patentschrift lautet: g a h c d e fis g - cis d; die Funktionenfolge der diatonischen Aufwärtsskala in vier wechseltönigen Tasten lautet T D7 T D7 T S D7 T.
Der Einbau einer Mutation (lat. mutatio, Veränderung; Abb. 18) ermöglicht es, den Melodieton ohne Harmonisierung anzugeben: Ein gefederter Stößel an der instrumentenrückseite läßt bei Druck gegen den Leib des Spielers das Akkompagnement verstummen; sobald der Druck nachläßt, sind erneut die vollen Akkorde hörbar. Das einmanualige bisonore Instrument Demians trägt die in der Patentschrift erstmals dokumentierte Bezeichnung Accordion durchaus zu Recht, unterscheidet es sich doch durch seine Programmierung wesentlich von den bis dato gebauten Aeolinen- und Harmonikamodellen. Daß sie in einigen Regionen bald zum Oberbegriff für Harmonikas wird und auch gegenwärtig umgangssprachlich in diesem generalisierenden Sinn für Balgharmonikas benutzt wird, widerspricht der ursprünglichen, sinnreichen Wortbedeutung. Accordions Demianschen Konzeptes, ob mit oder ohne Mutation, erweisen sich zunächst als willkommene Harmonieinstrumente, können sich aber gegen die wachsende Konkurrenz der mir Grundbässen und Akkorden ausgestatteten Harmonikas nicht behaupten.
Unter die einmanualigen bisonoren Harmonikas mit separaten Tasten für das Akkompagnement fallen zunächst jene mit einer einzigen, nicht gefederten Sekundiertaste. Sie ist am Griffbrett als Schleif- (soupape fixe) oder Wipptaste (bascule) montiert. »En fermant cette touche, on fait taire l'harmonie« (Pichenot jeune, Methode pour l'accordéon, P. [1834]). Unterlegt sind Zwei- oder Dreiklänge, die dem Tonvorrat der Gebrauchsskala entnommen sind und in enger Lage zu ihr stehen. Eine weitere separate Taste gleicher Bauart ist im einmanualigen Accordéon parisien ergänzt. Mit ihr korrespondieren üblicherweise zwei Baßtöne, die gemeinsam mit der Harmonie eine Tonika-Dominant-Begleitung ergeben. Aufgrund ihrer Mechanik, die wechselweises Zu- oder Abschalten während des Melodiespiels erschwert, stetes Akkompagnieren hingegen favorisiert, erfüllen die beiden Tasten gleichsam Ostinatofunktion. Erst nachdem die affinen Akkorde und Bässe sich am Sockel des Instruments unter gefederten Klappen wiederholen, bilden sie ein selbständiges Akkordwerk auf zweitem Manual. Dreitönige Akkorde des Accordéon parisien stehen im Vollkommenen Ganzschluß, während einige der Wiener Harmonikas mit dem Dominantseptakkord ohne Quint unterlegt sind.
Das zweite Manual am Ende des Balges, konzipiert für ein separates Akkompagnement aus präparierten Mehrklängen und Einzeltönen als Akkordwerk, manifestiert sich in vier Ausprägungen: 1. die frontale, in den Gehäuserahmen integrierte Tastatur mit Flachklappen oder Knotetasten; 2. die mit Stoßklappen oder mit Hebelklappen versehene Tastatur am Brummkästchen; 3. die vom Griffbrett oder Griffkasten getragene Tastatur; 4. die in den Gehäuseboden integrierte respektive in einen umgebenden Sockelrand gelenkte Tastatur.
Das Tastenlayout ist zeilig oder dispersiv (Abb. 19) oder stellt eine Kombination beider Organisationsformen dar. Die Zusammenstellung von Tönen zum Akkordwerk und seine Zuordnung zu den vier Manualausprägungen ist variabel. Gleichwohl lassen sich drei Dispositionsprinzipien konturieren. 1. Das Akkordwerk ist additiv strukturiert: Das Tonika-Dominant-Schema ist gemäß der Schritte des Quintenzirkels zusammengesetzt. Das Zahlenverhältnis zwischen Akkorden und Einzeltönen ist 1:1. 2. Das Akkordwerk ist diffetenzierend strukturiert: Eine Tonart ist mit leitereigenen Akkorden repräsentiert, so daß auf die beiden Einzeltöne von Tonika und Dominante sieben Akkorde kommen können. 3. Das Akkordwerk setzt sich konstruktiv-statisch zusammen: Jedem Einzelton ist beispielsweise ein Dur-, ein Moll, ein Dominantsept-, ein verminderter Septakkord und ein sog. Beibaß (Terz) zugeordnet.
Nachdem sich durch die Wellenbordmechanik des Regierwerks die mit mehreren Zungen besetzte Kanzelle erübrigt, ist jedes wie auch immer zusammengesetzte Akkompagnement zu programmieren.
Das Akkordwerk ist ausgerichtet auf spezifische Musikpraktiken, beispielsweise durch Mollpräferenz (russ.), durch Terzeneliminierung (okzitan.), durch Hinzufügung eigentümlicher Mehrklänge oder Bordune (bourdon de Bruxelles), durch Reduzierung der Akkordgesamtzahl zugunsten von Einzeltönen, durch Bevorzugung der Höhen (Saratovskaja mit Akkorden in hoher Lage) oder der Tiefen (Helikonbässe der Steirischen Harmonika). Generell gilt für das Gefüge bei uni- wie bisonoren Harmonikas, daß identische Manualausprägungen und Tastenlayouts keine Übereinstimmung von Dispositionen signalisieren.
VII. Musiker, Musikpraxis und Kontext
Harmonikainstrumente entstehen als Produkte des 19. Jahrhunderts.Ihr Profil bildet sich zu Zeiten, als der Handel mir Musikinstrumenten weltweite Dimension annimmt und es gilt, breite Käuferschichten allerorten anzusprechen. Aus der Sticht des Herstellers bietet das Produkt zunächst die Vorteile, kostengünstig in großer Anzahl produzierbar und zum Versand geeignet zu sein, sowie robust, wartungsarm, tropentauglich und als modifizierbares Objekt aktuelle Trends und regionale Vorlieben resorbieren zu können. Aus der Sicht des Käufers besteht die Attraktivität des Produktes in folgenden Eigenschaften: Es ist mobil und in der Lage, Töne allerorten zu geben, bei Landpartien, auf dem schiff, im Schützengraben, im Ball- und Konzertsaal. Es ist pflegeleicht, benutzerfreundlich, jederzeit bereit ohne Ein- und Nachstimmprozeduren und komfortabel auch über lange Dauern zu spielen. Es ist funktionell und effizient, indem auf kleinem Volumen proportional viele Töne in beträchtlicher lautstärke für horizontale wie vertikale Tonverbindungen zur Verfügung stehen. In seiner Warenästhetik ist es divers, dekorativ, in seinen jeweils neuesten Ausprägungen modisch und in seiner Technik auf der Höhe der Zeit. Jedes Instrument ist nachrüstbar und zu einem weiten Maß offen für Veränderungen durch die Hand des Erwerbers. Das Warenangebot ist reich an Ausführungen und Preislagen.
In ihrem Produktprofil unterscheiden sich die Harmonikas wesentlich von Instrumenten älterer Tradition. Der Mangel an intentionaler Geschlossenheit seitens der Hersteller und seitens der Musiker konditioniert die Instrumente dazu, mannigfaltige Musikpraktiken in vielen soziokulturellen Zusammenhängen auszubilden.
Musikalien und Tonträger dokumentieren das Engagement der Instrumentalisten in fast allen musikalischen Formen. Diese Quellen sind jedoch weder quantitativ noch qualitativ durch die Forschung erschlossen. Zum Bereich der ausschließlich auditiv überlieferten Harmonikapraxis liegen kaum detaillierte Untersuchungen vor. Obwohl gerade die kleinformatigen Mund- und Balgharmonikas in die entlegensten Gebiete gedrungen sind, kennen wir bis auf wenige Ausnahmen ihre musikalischen Funktionen und ihre Klangwelten nicht.
Der Einsatz bestimmter Harmonikamodelle innerhalb der Neuen Musik, bei experimentellen Prozessen, improvisationsverfahren und in Verbindung mit Live-Elektronik hat sich im Lauf der letzten Jahrzehnte konsolidiert. Spezielle Spieltechniken und Vortragsweisen eröffnen der Instrumentengattung hierbei neue Dimensionen, und Interpreten wie Komponisten werden in Zukunft auf das klanglich außerordentlich reiche Farbspektrum, das die Harmonika zu bieten in der Lage ist, wohl nicht mehr verzichten. Zu entdecken gilt aber gleichermaßen die Harmonikamusik des 19. und frühen 20. Jh., und den jeweiligen Ausprägungen und Kontexten nachzuspüren, muß als Aufgabengebiet der Musikwissenschaft verstanden werden, damit künftige Spielergenerationen ein ungebrochenes Verhältnis zur Geschichte ihres Instruments entwickeln können. Im Vergleich zu jenem Instrumentarium, das sich aus älterer Tradition her leitet, zeigt die Analyse des Umgangs mit der Harmonika Eigentümlichkeiten, die alle Perioden ihrer Entwicklung durchziehen. Vorzüglich unter den Rahmenbedingungen des westeuropäischen Raumes sind die Musikpraktiken überlagert von drei Tendenzen, resultierend aus der Offenheit der Instrumentengattung für instrumentalistinnen, für Nichtkenner der Musik und Autodidakten und für jedwede Repertoires, Formationen und Spielweisen. Der emanzipatorische Charakter, der der Harmonika seit ihren Anfängen innewohnt, kommt regional und zeitlich unterschiedlich intensiv zum Tragen.
1. Instrumentalistinnen und reisende Virtuosen
Zu den frühen Harmonikavirtuosinnen, denen sich die Konzertsäle öffnen, zählen Baronesse Dubsky aus Wien (AmZ, 1822, Sp. 464, und 1823, Sp. 827) und Demoiselle Lange aus Amsterdam (AmZ, 1825, Sp. 590). Sie sind die renommiertesten Schülerinnen des Komponisten und Instrumentallehrers Hieronymus Payer (1787-1846) und spielen die Physharmonika solo oder in Verbindung mit dem Pianoforte, indem sie beide Manuale zum Vortrag eines Werkes nutzen. Leopoldine Blahetka (1811-1877), erfolgreiche Komponistin und Pianistin, trägt 1825 in Bremen eigene Kompositionen vor, »den Baß auf dem Flügel und die Discantstimme auf der Physharmonica« (AmZ, 1826, Sp. 430).
1829 präzisiert die Demiansche Patentschrift, das Accordion »dürfte für Individuen beiderlei Geschlechts [...] eine willkommene Erfindung seyn«. Angesichts der Barrieren, die die Schicklichkeit den Damen hinsichtlich der Wahl eines Instruments auferlegt, bietet sich in den Harmonikainstrumenten zunächst einmal die außerordentliche Chance, unbehindert durch die Vorgaben des herrschenden Blicks und durch den tradierten gesellschaftlichen Kodex tätig zu werden. Louise Reisner tritt als femme-accordéoniste in den angesehenen Pariser Konzertsälen und Salons der 1830er Jahre auf, und die Accordéon-Schulwerke ihres Vaters sowie die folgenden von Merlin, De-Raoulx, Rheins, Cornette, Carnaud, Javelot oder jene für Accordéon orgue, Flûtina und Harmuniflûte (Abb. 10) von Bretonnière, Wigame, Mayermarix reproduzieren allesamt Bildnisse von Damen in Interieurs, die durchaus den reichverzierten, noblen Instrumenten in ihren Händen entsprechen. insofern wundert es nicht, wenn (Princesse Mathilde, eine Cousine Napoleons III., oder Lady Hamilton (Prinzessin Marie Amalie Elisabeth Karoline, Tochter des Großherzogs Karl Ludwig Friedrich von Baden) im fernen Schottland Gefallen an ihnen finden.
Als besonders beliebt erweisen sich in Großbritannien die zierlichen Concertinas. In den 1840er Jahren veröffentlichen Richard Blagrove, George Tinkler Case, Joseph Warren Musikalien für English concertina, Carlo Minasi, Giulio Regondi, Joseph Warren auch für German concertina, und die Zueignungen in einigen ihrer Titelblätter zeigen ein deutliches Übergewicht der Damen unter den Widmungsträgern. Aus dieser Beobachtung kann geschlossen werden, daß an der ersten concertina craze Englands die Instrumentalistinnen bedeutenden Anteil haben. In den 1850er Jahren erweitert Miss Anne W. Pelzer das Concertinarepertoire durch zahlreiche anspruchsvolle Transkriptionen aus den Werken von Mendelssohn, H. Wilh. Ernst, Haydn, Händel, Beethoven und aus den Opern von Weber, Verdi und anderen ihr widmet George Alexander Macfarren seine Barcarole for the concertina and Pianoforte (L. [Eingangsjahr GB-Lbl: 1859]). Hannah Rampton Binfield (1810-1887), Komponistin und Organistin in London, richtet H. Herz La violette für Concertina und Pianoforte (1855) ein, des weiteren Classical Music Arranged as Trios for the Concertina, Harp and Pianoforte (1854). Neben Adaptationen von sacred und national melodies für Concertina und Pianoforte legt sie eigene Kompositionen für Soloconcertina nieder. Ob diese offenbar nicht im Druck erschienenen Werke für Marguerite Binfields Konzerte geschrieben sind oder ob Hannah R. Binfield selbst als Concertinavirtuosin aufgetreten ist, muß künftige Forschung eruieren.
Großer Verbreitung erfreuen sich die Serien und Periodika, die den Spielern die Möglichkeit bieten, ihr Repertoire kontinuierlich zu aktualisieren, wie Blagrove's Concertina Journal (L. I853f.) oder The concertina Miscellany, a Periodical of New Music for the concertina and Piano Arranged and Fingered by G. T. Case (L. 1855f.). Neben Carlo Minasis, William Henry Birchs und den nach Verlagen benannten Editionen Chappells, Wheatstones und Booseys versucht auch eine Frau ins Geschäft zu kommen. Catherina Josepha Pratten veröffentlicht ab 1860 Madame Robert Sidney Prattens´s Repertoire for the concertina (L. 1860f.) Es ist bislang ungeklärt, wie umfangreich diese Reihe ist und ob Titel, die ohne den Zusatz »Madame« publiziert sind, von ihrer Hand oder der Roberts sind. Auffällig ist, daß unter den britischen Autoren von Concertinamusikalien nicht wenige ihre Vornamen, mitunter sogar Vor- und Zunamen, auf deren Initialien reduzieren.
Im Konzertleben des deutschen Sprachraumes können die Harmonikaspielerinnen nur schwer Fuß fassen. Die wenigen konzertierenden Virtuosinnen der ersten Jahre sind Ausländerinnen. Isabella Dulcken, Schülerin Regondis und ihrer Mutter Marie Louise David-Dulcken, der Hofpianistin Königin Victorias und der Herzogin von Kent, ist in Frankfurt am Main 1848 und am 12. Okt. 1851 im Gewandhaus zu Leipzig auf der Concertina zu hören. Die Genueser Gitarristin Nina Morra versucht, die Harmonika in ihre Konzerttätigkeit zu integrieren. Weitreichende Resonanz auf ihre Darbietung am 1. Dez. 1841 im Kleinen Saal des Gewandhau es bleibt ihr dabei ebenso versagt wie drei Dezennien später der blinden deutschen Konzertinavirtuosin Anette Kuhn aus München, Konzertgeberin am 6. Febr. 1870 an gleicher Stätte.
Lukrativere Möglichkeiten bieten sich den Harmonikaspielerinnen im Rahmen der Ensemblearbeit. Fräulein Reuter, Bandonionistin einer Damenkapelle gegen Ende des Jh., bringt instrumentale Soloeinlagen und trägt Gesangsstücke vor, zu denen sie sich begleitet (Allgemeine Concertina und Bandonion-Zeitung, 1896, S. 43). Ausschließlich weiblich besetzte Formationen, um die Jahrhundertwende durchaus spektakulär, werden gegen Ende der 1920er Jahre häufiger. Besonders im Revue-, Cabaret- und Varieté-Fach sind sie gefragt. Nach 1930 sponsert die Matth. Hohner AG das Trossinger Damenquartett Kleeblatt, das Göppinger Damentrio unter Gertrud Frick, das Münchner Damenquartett unter Lotte Junghans und die Harmonika-Showband Original Glorias mit der Sängerin Gloria Lilienborn. Wie in New York rund drei Jahrzehnte zuvor 15 Concertinaspielerin nen einen Musikverein gründeren (1895), so schließen sich in Zürich mehr als zwei Dutzend Instrumentalistinnen zusammen zum 1. Damen Handharmonika Club. Weibliche Akkordeonstars und -lehrerinnen sind von nun an fester Bestandteil der Harmonikawelt.
Zu den bekanntesten Virtuosen, deren Darbietungen in den deutschsprachigen Musikzeitschriften der ersten Hälfte des 19. Jh. Erwähnung finden, zählen die Mundharmonikasolisten Anton Kratky aus Prag, Franz Xaver Gebauer aus Wien, Herr Kuhnert aus Böhmen und die Erfinder Johannes Weinreich mit dem Psallmelodicon und Ernst Leopold Schmidt mit den Apollo-Lyren. Balgharmonikaspieler überregionalen Renommees sind Giulio Regondi aus London, Rudolf Pick aus Wien und Albert Heger aus Brünn. Die Konzerttätigkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jh und im ersten Viertel des 20. Jh. ist bislang nicht erschlossen. Für die Periode von 1925 bis 1950 fehlen detaillierte Untersuchungen zu Rundfunk- und Schellack-Einspielungen. Zu wenige Akkordeonisten, Bandonionisten, Konzertina und Mundharmonikaspieler der nach 1950 aktiven Generationen sind hinreichend dokumentiert, um ein der Wirklichkeit entsprechendes Gesamtbild der Harmonikamusik zu geben.
2. Amateure und Autodidakten
Die Idee, Tasten respektive Kanzellen zu numerieren und über diese Zahlen korrespondierende Töne zu kodifizieren, eröffnet dem Notenunkundigen die Möglichkeit, Tastenabfolgen aufzuschreiben und in Tonfolgen umzusetzen. Soll der Umgang mit dem Instrument graphisch vermittelt werden, genügen in worten notierte Erklärungen und in Kurzschriften aus Ziffern und Zeichen visualisierte Anweisungen Besonders rationell erweisen sich spezielle Codes für bisonore Tasteninstrumente. Uhligs 20 töniges erstes Modell beispielsweise kommt, abgesehen von der Manualanzeige, mit fünf Signaturen aus zuzüglich zweier Balgzeichen. Das bedeutet, der Spieler muß nicht mehr als sieben Zeichen memorieren, obwohl 19 in ihrer Höhe unterschiedliche Töne zu seiner Verfügung stehen. Die Manuale des 130 tönigen Bandonion weisen insgesamt nur 35 verschiedene Tastensignaturen auf Mit den Zeichen für Balgzug und Balgdruck sowie dem Zeichen für die Betätigung des Ventilhebels zum Justieren des Balgvolumens bleibt der Zeichenvorrat durchaus überschaubar. Als vereinlachend erweist sich in der Praxis zudem, daß der Code den Tonort offen läßt. Steht ein Instrument in Es, gelten zwar die gleichen Tasten-Ton-Vethältnisse wie bei einem Instrument in A, es erklingen jedoch andere Tonarten und möglicherweise andere Tessituren beim Abspielen derselben Zeichen.
Außerordentlich effizient sind Chiffren (Abb. 20) in Hinsicht auf das präparierte Akkompagnement, denn das Notieren respektive Lesen synchroner Akkordtöne entfällt. Allerdings erfordert jede Instrumentenvariante naturgemäß eine mit ihrer Tondisposition und mit ihren Tastensignaturen korrelierende Sehreibart.
Eindeutig festgehalten sind im Grundstadium des Codes nur die Tastenabfolgen und die Luftrichtungen Tondauern, Pausen und alle weiteren Parameter der Musik bleiben unbestimmt. So trägt das Notat in Relation zur Musik den Charakter des Variablen, des Nicht-Endgültigen. In bezug auf die Mustippraxis bedeutet der Code eine offene Kategorie, in der die imagination von Musik favorisiert und durch Impulse stimuliert wird. Je mehr Elemente schließlich aus der Notenschrift in den Code zwecks Präzisierung seines Textes übernommen werden, desto weniger können spezifische Regionalstile, Tradition und Zeitgeschmack, subjektive Augenblickslaune und wie auch immer sich formulierende Präferenzen des Musikers in das Abspielen der Zeichenfolge einfließen. Aufgrund der genannten Faktoren ist es angebracht, derartige Codes als instrumentidiomatische Notate, im engeren Sinn als Ideographien zu definieren. Sie sind zu unterscheiden von Griffschriften, die Fingerkonstellationen der Spielhände graphisch fixieren, und von Kurzschriften, die musikalische Strukturen jenseits des üblichen Fünfliniensystems visualisieren. Auch solche Notationen sind für den Harmonikabereich entwickelt oder auf ihn übertragen worden.
a. Lernen sine magistro
Seit den Anfängen der Musikalienedition für Harmonika weisen zahlreiche Schulwerke im Titel werbewirksam darauf hin, daß auch der Notenunkundige mit ihrer Hilfe das Spiel erlernen könne und zwar in kurzer Zeit und ohne einen Lehrer bemühen zu müssen. Vor 1900 sind mindestens so verschiedene deutschsprachige Leitfäden zur Selbstunterrichtung allein für den Balgharmonikabereich im Angebot. Einige von ihnen erscheinen in unzähligen Auflagen, denn sie werden beim Neuerwerb eines Instruments diesem gratis beigegeben. Stehen die bis 1866 publizierten üblicherweise in Notendruck mit Zusatzzeichen, verzichten danach immer mehr Verleger auf die Wiedergabe eigentlicher Noten. Johann Klein, dessen Familie seit 1834 im Wiener Harmonikabau aktiv ist, ediert allein im Jahre 1875 rund 520 Harmonikamusikalien in Ziffernnoten . Damit ist er der erste Verleger, der ein derart umfangreiches Spezialsortiment auf den Markt bringt. Seine Titel sprechen eine rapide wachsende Klientel an, deren Nachfrage wiederum weitere Arrangeure und Verleger motiviert, in diesem Gebiet tätig zu werden. Die claves signatas als ein effektives Mittel für den autodidaktischen Zugang zur instrumentalen Musikausübung und zur raschen Erarbeitung eines aktuellen Repertoires brechen das Bildungsprivileg und haben entscheidenden Anteil an der Demokratisierung des Musikerwerbs. Bis in die Gegenwart hinein stoßen notenfreie Lehrmittel auf große Akzeptanz. In jüngster Zeit erfreuen sich Lernvideos zunehmender Beliebtheit wie The Seaman's concertina, a Beginning Guide to the Anglo Concertina in a Nautical Style von John Townley (N Y. 1990), How to Play the Cajun Accordion, with Marc Savoy and Trary schwarz (Eunice 1992) oder Steirische Harmonika (3 Folgen, Mn. 1993).
b. Lernen in corpore
Sind die Harmonikamodelle mit präpariertem Akkompagnement darauf hin konzipiert, leicht erlernbar zu sein, erfordern hingegen die vieltönigen Bandonion- und Konzertinainstrumente sowie die chromatischen Harmonikas vom Autodidakten beträchtliche Übungsintensität und anhaltende Motivation. Aus dem Wunsch, Spielprobleme gemeinsam mit Gleichgesinnten zu lösen, kommt es vornehmlich in Sachsen seit 1874 zur Gründung von Lerngemeinschaften, zunächst unter der Bezeichnung Harmonica-Club, dann als Concertina-Club und ab 1885 als Bandonion-Club, üblicherweise mit den Ergänzungen von Ort und Gründungsjahr sowie einem Kennwort Saxonia, Freuden klänge, Vorwärts, Melodia, Sonamento, Prinz Heinrich u.a. Bis 1914, also im Zeitraum von 40 Jahren, sind mindestens 240 kontinuierlich tätige Bandonion- und Konzetinavereine in allen Gegenden Deutschlands registriert. Ihre beitragszahlenden Mitglieder üben gemeinsam, werben und instruieren Eleven, kopieren, drucken und verbreiten Musikalien und bauen ein reges Vereinsleben auf Sie kooperieren mit Brudervereinen anderer Orte, kommunizieren mit Hilfe eigener, von ihnen ins Leben gerufener und getragener Fachzeitungen und schließen sich zu überregionalen Selbsthilfeorganisationen, sog. Bünden zusammen. Bestrebungen, diese Bünde in einer zentralen Dachorganisation zu vereinen, führen 1911 zur Gründung des Deutschen Konzertina- und Bandonion-Bundes eV. (DKBB) mit sitz in Chemnitz. Der DKBB versteht sich als Bildungsinstitution und Vertretung aller Harmonikainteressierten, der Einzelmitglieder wie der korporativen, der passiven Mitglieder wie der aktiven, der Amateure wie der professionellen Spieler jedweder Harmonikamodelle sowie der Streicher, Bläser, Schlagzeuger u.a. Musiker, die in Ensembles gemischter Besetzung tätig sind. Dennoch spalten sich nach 1924 Vereine ab, um ihre partikulären Interessen in neugegründeten Bünden intensiver zu vertreten. 1931 ruft die Matth. Hohner AG den Deutschen Handharmonika Verband ins Leben, parallel zum Auflau der Hohner Harmonika Fachschule in Trossingen. Im Gegensatz zur Bundesschule, die seit 1929 in Kooperation zwischen dem DKBB und der Musik-, Handels- und Gewerbeschule Klingenthal Fortbildungskurse für Vereinsdirigenten Anbietet, spezialisiert sich die Trossinger Einrichtung auf die Ausbildung von Akkordeon- und Mundharmonikalehrern und die Schulung des Verkaufspersonals Aufgrund der Etablierung der Harmonikalehrerausbildung und ihrer schrittweisen Institutionalisierung entfällt die Notwendigkeit des Lernens in corpore; die Lerngemeinschaften wandeln sich schließlich zu Spielkreisen.
3. Repertoire
Der Bestand an Übungs- und Vortragsmaterial in den deutsch-sprachigen Harmonika-Schulwerken des 19. Jh. ist homogen. Er setzt sich zusammen aus Stocken folgender Genres: begleitetes Lied, Tanz, Opernparaphrase, Marsch, Choral, Hymne, Melodien entfernter Völker und Potpourri. Arrangements sind nicht deutlich als solche unterschieden von den Originalkompositionen. Das musikalische Amüsement sowie die Abwechslung haben durchweg Vorrang vor dem Etüdenspiel, wie deutlich aus den Benennungen der Stocke und ihrer Faktur hervorgeht. Liedtexte sind nur ausnahmsweise wiedergegeben. Wie in einigen Titeln und Vorworten formuliert, ist es das Ziel der Schulen, die Kunst des Harmonikaspiels demjenigen, der sich ihr widmen will, zu vermitteln. Die Spaltung der Musik in hohe, traditionelle, unterhaltende, geistliche, aktuelle oder moderne, wie sie innerhalb des bürgerlichen Konzertbetriebs zunehmend erfolgt, reflektieren die Harmonikaspieler vor 1914 nicht. Geschmackvolle Darstellung, wohlklingende Ausführung und Sicherheit des Vortrags sind angestrebt, auf daß die Harmonikamusik gefalle und nicht langweile. Beurteilungskriterien sind nicht die Güte der Vortragsstücke oder die der Instrumente, sondern primär Art und Weise, wie der Spieler mit dem Instrument umgeht, der Grad seiner Spielfertigkeit, seiner Sensibilität, Ausstrahlung und Vortragskraft. insofern finden auch Leistungen Achtung, die an unkonventionellen oder unvollkommenen Modellen erbracht werden. Diese Aufgeschlossenheit bewahrt sich in Harmonikakreisen bis weit ins 20. Jh., während sie im bürgerlichen Konzertwesen bereits gegen Mitte des 19. Jh. unüblich ist.
Erfährt der Mundharmonika-Virtuose Kuhnert, »der sich auf einer Anzahl von Mundharmoniken, mit denen er geschickt wechselte, recht anmuthig und mit grosser Fertigkeit hören ließ«, im Gewandhaus zu Leipzig am 29. Mai 1828 durchaus einen Achtungserfolg (A. Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte zu Leipzig, Lpz. 1884, S. 207), werden »die Geläufigkeit, Sicherheit, Reinheit der Töne und Zartheit des Vortrages« auf der Mundharmonika durch Anton Kratky am 21. Nov. 1842 im Theater zu Linz vom Rezensenten des Konzerts ausführlich gewürdigt und die Fähigkeit der Tonnuancierung bewundert, fließen dennoch bereits Kritik an den Vortragsstücken ein und Fragen nach dem »Rayon, welches solchen Productionen einzuräumen ist« (Wiener allg. Musik-zeitung, 1842, S. 584). Daß der Wirkungskreis für Harmonikavirtuosen nicht der Konzertsaal sei, leitet die musikalische Fachwelt zunächst also von ihrem Repertoire ab, weil in ihm Originalwerke der Altmeister fehlen. Jedoch auch nachdem Originalkompositionen bekannter Zeitgenossen wie B. Moliques op. 50 und op. 57 uraufgebahrt sind, ist ihre Wirkung nicht von Dauer und schließlich nur noch auf Insider begrenzt. Arrangements für Harmonikainstrumente stoßen zunehmend auf Skepsis. Spielt Alexander Prince die Tannhäuser-Ouvertüre auf der Duet-concertina, veranstaltet der Bandonion-Musikverein Harmonie Leipzig-Ost seine Ouvertürenabende im Albertgarten (Die Volksmusik Fachzeitschrift des DKBB, 1930, S. 9), ist die Resonanz seitens der etablierten Musikkritik, sofern die Darbietungen überhaupt zur Kenntnis genommen werden, üblicherweise eine reservierte.
In einem besonderen Repertoirebereich, in dem bestimmte Harmonikamodelle des 19. Jh. ihr adäquates Betätigungsfeld finden, reüssieren sie nur vorübergehend. Prädestiniert ihre expressive, nuancenreiche Tonqualität in Verbindung mit der Anlage zu harmonisch-akkordischen Wirkungen sie gleichsam zur musikalischen Malerei und zur Begleitung von lebenden Bildern, von Pantomimen, Szenarien und Deklamationen (AmZ, 1827, Sp. 398), verlieren diese Genres nach und nach an Wertschätzung. Wie das freie Fantasieren - ehedem eine geachtete Kunst finden diese Ausdrucksformen im Konzertprogramm des 20 Jh. während vieler Jahrzehnte keinen Platz mehr Residuen halten sich indessen im Stummfilmsektor und in der Bandonionkultur, beispielsweise durch Richard Winklers Melodram für Bandonion und Stimme Mit Ränzel und stab (Dresden, Bundesnotenverlag H. M. Thiele Nr. 2031) oder bei den beliebten Improvisationen des Bandonionisten E. Gudewill (Gut Ton, 1924, Nr.8, S. 9). Harmonikavarianten, auf denen sich Effekte oder artistische Fingerfertigkeiten entfalten lassen, bereichern die Darbietungen der Musicalclowns The Webb Brothers, Gebrüder Dorelli, Grock und Charlie Rivel.
Als eigentliche Domäne wird den Harmonikas das Tanzrepertoire zuerkannt. Von den rund 520 Musikalientiteln, die Johann Klein 1875 in Wien für die Balgharmonika ediert, sind an die 350 als Polkas, Mazurkas, Walzer und Quadrillen ausgewiesen. Nachfolgende spezialisierte Verleger des deutschsprachigen Raumes führen ähnlich strukturierte Sortimente. Auch innerhalb der nach Gehör erarbeiteten Musik überwiegen offenbar die Tänze Kennzeichnend für das Verlagsangebot ist, daß neben einem Stamm alter Favoriten stets eine Auswahl an jeweils neuesten Titeln in Harmonikaarrangements unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade auf den Markt kommt. In keinem anderen Genre sind die deutschen Harmonikaspieler derart auf der Höhe der Zeit. Beispielsweise erscheint Angel Gregorio Villoldos El choclo. Tango argentino eingerichtet für Solo-Bandonion von Peter Fries beim Verleger Arthur Weber in Dortmund 1914, ein Jahr nach dessen Erstausgabe für Pianoforte.
Die Gattung der Märsche nimmt innerhalb des deutschen Harmonikarepertoires lange Zeit die zweite Stufe auf der Beliebtheitsskala ein. Abgesehen davon, daß Märsche sich naturgemäß dazu eignen, auf Landpartien, im Soldatenleben und generell die Fortbewegung kurzweiliger zu gestalten, bietet das Genre ein relativ unkompliziertes Betätigungsfeld für Amateurkomponisten aus den eigenen Reihen. So erklärt es sich, wenn Gelegenheitsstücke vorzugsweise in Marschform niedergelegt sind. Otto Luther publiziert mit allerhöchster Billigung 1888 seinen Trauermarsch auf den Tod des Deutschen Kaisers Wilhelm 1. (Mn., Lederer), damit die Harmonikaspieler mit einem eigenen repräsentativen Beitrag an den landesweiten Feierlichkeiten teilnehmen können. Willy Schneiders Auf zum Bundesfest (Dortmund, Weber) ist der offizielle Eröffnungsmarsch zum 1. Bundesfest des Rheinisch -Westfälischen Bandonion-Bundes in Essen-West 1909, uraufgeführt durch Schneiders Formation (s. Abb. 3). Emil Rockstroh schreibt seinen Jubiläumsmarsch (Dresden, Thiele & Sohn) zum zehnjährigen Bestehen des DKBB 1921, Winklers Marsch Erinnerung an Jena (Dresden, Thiele & Sohn) gedenkt des 5. Bundestags von 1922, als der DKBB das 15.000. Mitglied begrüßt. Ohnehin hat jeder Bandonion-und Konzertina-Klub, der auf sich hält, seinen eigenen Vereinsmarsch, der gleichsam als Erkennungszeichen Teil der kollektiven Identität ist. Manche Kompositionen geben durch ihre Titel die für die Harmonika wesentlichen historischen Fakten weiter, wie der Uhlig-Band-Marsch oder der Münchener Kunstgewerbe- Ausstellungs-marsch Hoch Bavaria zu Ehren des Münchner Harmonikafabrikanten Johann Lederer, dessen Exponate 1888 die silberne Medaille erringen.
Die rheinischen Verleger in Krefeld (Heinrich Band), Mainz (Carl Ullrich, Carl Ernst Hickethier, Herf & Wolff, Friedrich Wilhelm Wolff, Köln (Johann Band & Cie) und ihre Nachfolger Alfred Band (Krefeld), Gebr. Wolff (Kreuznach), Arthur Weber (Dortmund) bieten neben arrangierten Werken mehrsätzige oder mehrteilige Originalkompositionen für Harmonika, vornehmlich Bandonion an. Darunter sind folgende Instrumentalformen favorisiert: Quadrille, Serenade, Rondo, Aria, Charakterstück, Phantasiestück, Pastorale, Nocturno, Romanze, Elegie. Im ausgehenden 19. Jh. kommen hinzu: Intermezzo; Konzertouvertüre, -walzer, -marsch, -polonaise, -polka, - mazurka, -rheinländer. Die Umwälzungen des Ersten Weltkriegs und die Gründung der Rundfunkanstalten in den deutschen Ländern lassen unter den Harmonikaspielern die Frage nach dem Standort ihrer Musik aufbrechen. Bei ihrer Diskussion in den Fachzeitschriften Gut Ton und im Bundesorgan des DKBB Die Volksmusik kristallisieren sich zwei Positionen des Selbstverständnisses heraus. »Vor allem liegt es ja in den Bundesbestrebungen, unsere Musik als Kunst zu behandeln, zu verwerten und als solche dem Volk darzubieten« (R. Winkler, Aufgaben des Bundes, der Vereinsmitglieder sowie jedes Volksmusikfreundes zeitgemäßer Aufruf, in: Die Volksmusik, 1927, S. 169). Dieser Grundsatz löst Protest aus: »Wir wollen unsere Musik gar nicht hoher eingeschätzt wissen, wie sie wirklich ist, denn für höhere Kunst sind Kammermusiker da; aber sind denn alle Rundfunkhörer auf höhere Kunst eingestellt, ichglaube es nicht« (A. Nast, Rubrik Fachfragen, in: dass., 1928, S. 22). »Wir wollen keine Kunst, sondern Volksmusik« (A. Schlüter, Rubrik Fachfragen, in: dass., 1928, S. 86). Dennoch überwiegen die Vertreter der »Qualitätszüchterei« (in: dass., 1928, S. 86), und die Repertoirefrage wird verknüpft mit der Frage nach dem voll kommensten Harmonikamodell und einer verbindlichen Spieltechnik. Die sich als progressiv begreifenden Musiker setzen auf den sog. polyphonen Stil, der das Repertoire vom Unrat sentimentaler Melodiefloskeln: und vom Kitsch ostinater Begleitungsfiguren in simpler Harmonik befreien soll. Die dafür gewählten Formen sind Suite, Variation, Scherzo, Sonatine und Sonate, Etüde und Studie, Konzert.
Walter Pörschmann spielt am 15. Okt. 1924 im Leipziger Sender (MIRAG) eigene Kompositionen für Bandonion. 1926 stellt er sein Konzert a für Bandonion und Orchester, op. 48, vor (Spieldauer 22 Minuten) Im Berliner Sender sind außer Pörschmann die Bandonionisten Curt Rogosinski, Konrad Weißfloch und Arthur Mersiowsky wiederholt zu hören, und am 9. März 1925 erstmals ein Verein, das 1. Berliner Bandonion-Streichorchester. Am 8. Juni 1926 hält Wilhelm Heinitz im Hamburger Sender (NORAG) einen Vortrag über Konzertina, Bandonion und chromatische Harmonika, in den et Musikbeispiele des Bandonionquartetts Heinrich Niederlitz (Hamburg) integriert. Dieser Vortrag lost eine vom DKBB unterstützte Unterschriftensammlung bei Rundfunkabonnenten aus mit dem Ziel, die Sendeanstalten zu bewegen, monatlich wenigstens ein seriöses Harmonikakonzert auszustrahlen.
Das Ensemble-Repertoire vor 1933 umfaßt mindestens ein Dutzend in Deutschland verlegter Titel für Bandonion und Orchester, drei Dutzend Titel für Bandonion und gemischte Besetzung, zwei Dutzend für Bandonion und Pianoforte, sowie knapp so Titel für Bandonion-Duo, -Trio, -Quartett und -Quintett. Für chromatische Harmonika besteht ein reiches Spezialangebot für Schrammel-Quartett Wiener Besetzung, für Tyroler Quintett und für Tangokapelle. Die Matth. Hohner AG engagiert sich seit den 1930er Jahren zunehmend in der Edition von Werken für Akkordeon und Mundharmonika, vergibt Kompositionsaufträge und fördert die Aufführungen dieser Werke in Rundfunk und Konzert Fett gliedert dieses Wirken in die Perioden: Anfänge der Neuen Musik für Akkordeon 1927 bis 1933, vom Solospiel zum Gruppenmusizieren 1933 bis 1935, beginnende künstlerische Reife 1935 bis 1944 und Reifezeit 1945 bis 1957 (A. Fett, Dreißig Jahre Neue Musik für Harmonika 1927-1957, Trossingen 1957). Parallel zum Aufbau der Trossinger Harmonikaliteratur verliert die endogene, primär durch versierte Amateure getragene und durch die Bünde gestützte musikalische Entwicklung an Bedeutung, bis ihr durch die Verordnungen des Dritten Reiches ein definitives Ende gesetzt wird. Die Harmonikaspieler, nunmehr gleichgeschaltet und in der Fachschaft Volksmusik der Reichsmusikkammer zwangsorganisiert, haben ihr Repertoire auf arteigene und genehmigte Musik umzustellen, gleichfalls die Musikalienverleger aus den eigenen Reihen, sofern sie überhaupt eine Konzession erhalten. Nach Kriegsende beginnt in beiden deutschen Staaten eine integrative Entwicklung nach den Maximen von Professionalität und Internationalität.
Im gleichen Maß wie ungewöhnliche Klangfarben, Spieltechniken und Darstellungsformen in die zeitgenössische Musik einfließen, integrieren immer mehr Komponisten Harmonikainstrumente in ihr Schaffen, und die Akkordeon-, Bajan-, Bandonion-, Konzertina-und Mundharmonikainterpreten der Gegenwart beweisen, daß die Harmonika zu einem integralen Bestandteil der Musiksprachen des 20. Jh. geworden ist.
Dokumentationen und Forschungen zum Gebrauch der Harmonika in außereuropäischen Gebieten sind nicht zahlreich. Erst in den letzten Jahren sind musikalische Regionalidiome, in denen der Harmonika eine wichtige Funktion, wenn nicht sogar die Stilbildende, zukommt, über ihren lokalen Wirkungskreis hinaus zur Kenntnis genommen worden, beispielsweise die música vallenata, forró, chamamé, merengue, texmex, cajun, zydeco, tango, blues harp, windja, windjammer, polka und klezmer freilach aus Amerika, aus Afrika jugu, jive, rai und boeremusiek. Wie die Harmonika im Lauf ihrer Baugeschichte sich einer techno-organologischen Standardisierung entzieht, so widersetzen sich die Spieler, global betrachtet, normierten Spieltechniken und -praktiken. Sie garantieren somit die stilistische Vielfalt der Harmonikamusik. Die Lust am selbstbestimmten Umgang mit dem veränderbaren Instrument wird auch in Zukunft immer neu entdeckt und als Chance wahrgenommen werden und die Vitalität der Gattung Harmonika fortdauern lassen.
LITERATUR
* K. SCHILPP, Die württ. Akkordeon- und Harmonikaindustrie, Bln./ Stg./Lpz. 1915
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MARIA DUNKEL

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